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Lexikon der Oeko-Irrtuemer

Lexikon der Oeko-Irrtuemer

Titel: Lexikon der Oeko-Irrtuemer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk und Miersch Maxeiner
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entwischt ihnen keine Sardine mehr.
    Es ist wie in der europäischen Landwirtschaft: Der Raubzug auf den Meeren widerspricht jeglicher Vernunft und wird dennoch mit gewaltigen Summen subventioniert. Laut FAO (der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen) bringen die Fangflotten der Welt Fisch im Wert von 70 Milliarden Dollar an Land. Doch dafür werden sie aus den Steuertöpfen ihrer Heimatstaaten mit 54 Milliarden Dollar bezuschußt. 2
    Die Vergeudung ist irrsinnig: Nur ein Teil des weltweiten Fischfangs dient der menschlichen Ernährung. Der Rest geht als Fischmehl in die Massentierhaltung oder wird als Fischöl zu Kosmetika und anderen Industrieprodukten verarbeitet. Viele Millionen Tonnen werfen die Besatzungen bereits auf hoher See über Bord, weil sie zum sogenannten Beifang gehören: zu kleine Fische, schwer verkäufliche Arten oder solche, für die das jeweilige Schiff keine Quote besitzt. 3 Fazit: In der Fischerei stinkt es zum Himmel. Der subventionierte Unsinn zerstört wichtige Komponenten ozeanischer Ökosysteme. Robben, Wale und Seevögel verhungern. Und obendrein werden soziale Katastrophen provoziert, wie an der Ostküste Kanadas, wo zirka 40 000 Menschen in der Fischerei-Industrie ihren Job verloren, weil die ausgebeuteten Kabeljaubestände so schrumpften, daß die Kabeljaufischerei komplett aufgegeben werden mußte. 4
    Und jetzt die gute Nachricht: Hering, Makrele, Seelachs und die anderen Speisefische sterben trotzdem nicht aus. Denn lange bevor der letzte Fisch gefangen ist, sind die Fischer pleite. »Wenn der Bestand unter eine bestimmte Grenze gesunken ist«, sagt Walter Nellen, Direktor des Instituts für Hydrobiologie und Fischereiwissenschaft der Universität Hamburg, »hören die Fischer automatisch auf. Es genügen relativ wenige Fische, um einen Bestand wiederaufzubauen. In der Regel geht das ganz schnell, da Fische sehr fruchtbar sind. Es ist Fischern noch nirgendwo gelungen, einen Bestand wirklich auszurotten.« Ein Kabeljauweibchen legt bis zu sieben Millionen Eier. Davon überlebt zwar nur ein kleiner Teil das Larvenstadium. Dennoch ist die Reproduktionskapazität von Schwarmfischen enorm. 5 Wenn alles so weiter läuft wie bisher (was nicht sehr wahrscheinlich ist), steuert die Fischerei-Industrie also eher auf ein wirtschaftliches und soziales Desaster zu als auf ein ökologisches.
    Es gibt allerdings einige Fischarten, die so extrem dezimiert wurden, daß sie hart am Rand einer echten Ausrottung schwimmen. Dazu zählen hauptsächlich große Fische, wie der bei Feinschmeckern beliebte Schwertfisch. 6 Auch der Thunfischbestand im südlichen Pazifik ging seit 1960 um 90 (!) Prozent zurück. 7 Besonders Haie sind ernsthaft bedroht, da sie sich nur sehr langsam vermehren. Die Nachfrage nach den Raubfischen stieg seit den achtziger Jahren gewaltig an. 1994 wurden weltweit 730000 Tonnen Haie und Rochen gefangen. 8
    Schwere ökologische Schäden richtet in unseren Breiten die Baumkurrenfischerei an, eine Technik, um Seezunge, Scholle und Flunder zu fangen. Dabei wird ein Netz über den Meeresgrund gezogen, an dessen vorderem Ende ein Eisenbalken und schwere Ketten befestigt sind. Baumkurrenfischer pflügen die südliche Nordsee drei- bis viermal pro Jahr um. 5 Dabei werden Muscheln, Krebse, Schnecken und andere Bodenbewohner zerstört: Die Unterwasserwelt verarmt. 10
      
    1 Die Zeit vom 25. 4. 1995. 2 Welt am Sonntag Nr. 11/1997. 3 Der Spiegel Nr. 14/1997. 4 Welt am Sonntag Nr. 11/1997. 5 Die Zeit vom 25. 4. 1995. 6 Time vom 26. 1. 1998. 7 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 30. 7. 1997. 8 New Scientist vom 22. 3. 1997. 9 Welt am Sonntag Nr. 11/1997. 10 Frankfurter Allgemeine Zeitung, Magazin, 19. 8. 1996.

Perspektiven
      
    In Deutschland ist - entgegen der allgemeinen Vorstellung - nicht die Industrie, sondern die Landwirtschaft der größte Gewässerverschmutzer. Das zeigt sich exemplarisch am Grundwasser, aus dem in der Bundesrepublik der größte Teil des Trinkwassers gewonnen wird. Immer häufiger ist es durch Nitrate aus Gülle und Mineraldünger belastet. Zwar gibt es Verordnungen, die die Überdüngung eindämmen sollen. Auch werden Bauern, die in Wasserschutzgebieten weniger düngen, mit Zuschüssen belohnt. Doch wirksamere Maßnahmen - etwa eine Gülle- oder Düngersteuer - verhindert der Bauernverband und sein ausführendes Organ, das Landwirtschaftsministerium. In Österreich und Schweden haben Düngersteuern zu einer deutlichen Entlastung der Gewässer geführt. 1

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