Lexikon der Oeko-Irrtuemer
dabei um Annahmen handelt.
Es gibt zirka 1,5 Millionen Arten, die der Wissenschaft bekannt sind. Wilson, Ehrlich und andere Biologen gehen davon aus, daß die Zahl der existierenden, aber unbekannten Arten um ein Vielfaches höher ist. Die Schätzungen reichen bis zu 100 Millionen Arten. 3 Tatsächlich gibt es Hinweise darauf, daß eine enorme Zahl von Kleinlebewesen noch unentdeckt ist. Der Insektenkundler Terry Erwin vom Nationalzoo in Washington untersuchte 1982 die Kronendächer einer Tropenbaumart in Panama. Er wies dort 1200 Käferarten nach. 4
Ausgestorbene Tierarten zwischen 1600 und 1994
Region
Säuge-
Vögel
Rep-
Lurche
Fische
Wirbel-
Summe
tiere
tilien
lose
Afrika
7
34
12
1
1
50
105
Antarktis
1
0
0
0
0
0
1
Asien
8
12
0
1
2
25
48
Europa
3
5
0
0
0
24
32
Nord- u. Mittelamerika
37
27
6
2
30
162
264
Ozeanien
25
36
2
0
2
104
169
Südamerika
2
0
0
0
1
3
6
unbekannt
0
1
0
0
0
0
1
Summe
83
115
20
4
36
368
626
Von 626 Tierarten wissen die Experten, daß sie seit dem 17. Jahrhundert - größtenteils durch den Einfluß des Menschen - ausgestorben sind. Verschiedene Quellen kommen zu leicht abweichenden Zahlen. Die Größenordnung ist jedoch überall gleich. (Quelle: S. R. Edwards 1995/B. Groombridge/IUCN)
Aufgrund dieser Funde vermutet Erwin, daß es 30 Millionen Insektenarten auf der Erde gibt. Der Pilzexperte David Hawksworth nimmt an, allein die Zahl der Pilzspezies liege bei 1,5 Millionen. Die Berichte über ein angebliches Massenaussterben beziehen sich also auf unbekannte Arten, denn »kein Mensch weiß, wie viele Arten es gibt« (Dennis Murphy vom Zentrum für Naturschutzbiologie an der Stanford University). 5
Gestützt auf die vielen Millionen unentdeckter Insekten, die im Regenwald vermutet werden, wenden Wilson und andere einen Lehrsatz aus der Inselbiogeographie an: Wenn 90 Prozent des Lebensraumes zerstört werden, verschwindet die Hälfte der Arten. 6 Solch hohe Verlustraten wurden jedoch nur auf Inseln beobachtet, wo Landlebewesen nicht in andere Gebiete ausweichen können. Dennoch unterstellt die Theorie die gleiche Relation zwischen Biotopverlust und Aussterberate für kontinentale Regenwälder. Die unbekannten Arten und ihre angenommene Verlustrate werden mit dem Rückgang des Regenwaldes hochgerechnet. Doch nicht einmal der Zerstörungsgrad der Regenwälder ist bekannt. Trotz der Bilder aus Flugzeugen und Satelliten schwanken die Angaben erheblich (siehe auch »Der Regenwald ist nicht zu retten«).
Wann wurden die meisten Säugetiere und Vögel ausgerottet?
Nicht etwa zur Zeit der Industrialisierung, sondern lange vorher wurden die meisten Wirbeltierarten vom Menschen vernichtet. Diese Darstellung geht von etwas niedrigeren Zahlen aus als die Tabelle siehe oben. Dies hat jedoch keinen Einfluß auf den Verlauf der Aussterberate über die Jahrhunderte. (Quelle: P. Müller 1996)
Es gibt konkrete Fälle, wo die Vernichtung geschlossener Regenwaldgebiete und ihre Auswirkungen auf die biologische Vielfalt untersucht wurden. Diese Forschungen kommen zu ganz anderen Ergebnissen. In Puerto Rico, wo der Urwald bereits um die Jahrhundertwende zerstört wurde, starben weitaus weniger Tiere aus als befürchtet (zum Beispiel sieben von 60 Vogelarten). 7 90 Prozent des atlantischen Regenwaldes in Brasilien sind bereits seit langer Zeit gerodet. Viele Spezies wurden bis auf kleine Restbestände dezimiert. Überraschenderweise ist jedoch keine einzige Art bekannt, die ganz verschwand. 8
Professor Paul Müller, Direktor des Instituts für Biogeographie an der Universität des Saarlandes, schreibt: »Ein Rennen um die höchsten Extinktionsraten findet statt, dessen Ursprung sich auf einige wenige hypothetische Arbeiten mit erheblichen Prognoseschwächen zurückführen läßt.«'
Über die Zahl der nachweislich ausgestorbenen Arten herrscht dagegen weitgehend Einigkeit. Von 1600 bis zu den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts verschwanden zirka 1300 Tier- und Pflanzenarten, die der Wissenschaft bekannt sind. Die höchsten Angaben, die wir finden konnten, stammen von der Weltnaturschutz-Union IUCN (626 Tierarten) 10 und aus der »Zeit« mit Berufung auf die UNEP (Umweltorganisation der Vereinten Nationen): 654 Pflanzenarten. 11 Alle anderen Zählungen liegen etwas darunter (vermutlich, weil manchmal umstritten ist, ob es sich bei dem ausgestorbenen Lebewesen um eine Art oder eine Unterart gehandelt hat).
Das Überraschende dabei: Der
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