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Lexikon der Oeko-Irrtuemer

Lexikon der Oeko-Irrtuemer

Titel: Lexikon der Oeko-Irrtuemer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk und Miersch Maxeiner
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2/1996.
      

»Elefanten, Robben und Wale sterben aus«
      
    Werfen wir einen Blick auf die großen Artenschutzkampagnen, der letzten zwei Jahrzehnte: Elefanten, Robben, Wale.
    Welche Arten waren konkret gemeint?
      
    › Afrikanische Elefanten, die in den achtziger Jahren extrem gewildert wurden.
    › Sattelrobben (Kanada und Grönland), die von Robbenschlägern getötet werden, und die Seehunde in der Nordsee (Robbensterben 1988).
    › Zwergwale, auf die von norwegischen und japanischen Fangschiffen Jagd gemacht wird.
      
    Wie steht es um diese Arten?
      
    › Die Gesamtzahl der Afrikanischen Elefanten hat sich bei zirka 600000 stabilisiert. 1
    › Die Seehunde im Wattenmeer der Nordsee schätzte man Ende der neunziger Jahre auf 15000 (weltweit umfaßt der Seehund-Bestand ein Vielfaches davon). Bei der Staupe-Epidemie 1988 verendeten etwa 60 Prozent der damals 10000 Tiere in diesem Nordseebereich. 2 Der Bestand von Sattelrobben (die Art mit den flauschigweißen Jungtieren) im Nordwest-Atlantik liegt bei 4,7 Millionen. 3
    › 900000 Zwergwale (die letzte Großwalart, die noch in nennenswertem Umfang gejagt wird) leben in verschiedenen Teilen der Ozeane. 4
      
    Auch andere Walarten haben sich gut entwickelt: Aktuelle Schätzungen beziffern 1,5 Millionen Pottwale 5 und 24000 Grauwale 6 (eine Art, die zu Anfang des Jahrhunderts fast völlig ausgerottet war). Richtig ist: Es gibt auch unter Walen und Robben sehr seltene Arten (etwa Blauwal und Mönchsrobbe). Doch der Totalschutz dieser Spezies ist völlig unumstritten und war nie Anlaß für Kampagnen.
    Aufrufe mit reißerischen Schlagzeilen (»Der letzte Elefant ist schon geboren!«) orientieren sich oft mehr an der Logik der Werbung als an ökologischen Fakten. Es sind in der Regel nicht die großen und schönen Geschöpfe, die wirklich vom Aussterben bedroht sind - obwohl natürlich auch Giganten ernsthaft gefährdet sein können (zum Beispiel Nashörner und Tiger). Tiere, die ein flauschiges Fell und große Augen haben, dem Kindchenschema entsprechen oder zumindest irgendwie spektakulär aussehen, eignen sich gut für Spendenkampagnen. Geraten sie in Bedrängnis, schlagen weltweit die Medien Alarm. Wissenschaftler der Weltnaturschutz-Union (IUCN) und des World Wide Fund for Nature (WWF) entwickeln Managementpläne, damit die Ursachen des Rückgangs bekämpft werden können.
    Weitaus häufiger geraten kleine und unscheinbare Tierarten in Gefahr oder solche, die nur Fachleuten bekannt sind. So ist die Hausratte (Rattus rattus) in Deutschland selten geworden (nicht zu verwechseln mit Rattus norvegicus, der extrem häufigen Wanderratte). Doch aus naheliegenden Gründen würde kein Naturschutzverband eine Kampagne unter dem Motto »Rettet die Ratten!« starten.
    Ein weiterer Irrtum schleicht sich ein, wenn »selten« mit »gefährdet« gleichgesetzt wird. Für viele Arten von Großtieren, insbesondere Raubtiere, ist Seltenheit eine ökologische Anpassungsstrategie. Der Sibirische Tiger (der heute extrem bedroht ist!) war vermutlich niemals sehr häufig, auch nicht bevor der Ferne Osten Asiens von Chinesen, Koreanern und Russen besiedelt wurde. Denn die einzelgängerischen Tiger benötigen riesige Reviere.
    Der amerikanische Journalist Raymond Bonner hat die Entstehungsgeschichte der »Rettet die Elefanten«-Kampagne untersucht, die Ende der achtziger Jahre Millionen Menschen mobilisierte. Er fand heraus, daß sich in großen Naturschutzorganisationen Finanzleute gegen die Biologen durchgesetzt hatten. Die Wissenschaftler schätzten die Situation der Elefanten nicht so katastrophal ein, doch die Spendenprofis argumentierten, daß Aufrufe mit Elefantenbildern viel mehr einbringen würden als solche mit anderen Tieren. 7
    »Naturschutzverbände versuchen traditionell, die Menschen davon zu überzeugen, daß jede Situation verzweifelt und jedes Rettungsprogramm ein Notfall ist«, schreiben die langjährigen WWF-Mitarbeiter Jonathan S. Adams und Thomas O. McShane. »Aufklärung bedeutet, den Menschen zu sagen, was sie nicht hören wollen. Spendensammeln ist aber nur dann erfolgreich, wenn man den Leuten sagt, was sie hören wollen.« 8
      
    1 WWF, Fakten zur 10. CITES-Konferenz, 1997. 2 Frankfurter Altgemeine Zeitung vom 19. 3. 1997. 3 Department of Fisheries and Oceans, Neufundtand, Report on the Status of Harp Seals in the Northwest Atlantic, 1994. 4 Schätzungen der International Whaling Commission für verschiedene Meeresregionen, addiert von High North

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