Lexikon der Oeko-Irrtuemer
der erste Nationalpark 1970 (Bayerischer Wald) gegründet, fast hundert Jahre nach dem ersten Nationalpark der Welt, dem Yellowstone Park (1872). Ende der neunziger Jahre existierten zwölf Nationalparks und dazu dreizehn Biosphärenreservate. 7 Hinzu kommen noch Gebiete mit schwachem Schutzstatus, etwa Naturparks, und zirka 5000 (teilweise kleine) Naturschutzgebiete. 8 Der ökologische Wert vieler Naturschutzgebiete wird von Fachleuten allerdings gering eingeschätzt. Anders als in den Nationalparks dürfen Landwirtschaft, Jagd und Fischerei darin weiter betrieben werden.
Hauptsächlich durch die Rücknahme der Jagd und eine höhere Toleranz der Menschen gegenüber Wildtieren haben sich auch in Deutschland viele verloren geglaubte Tierarten erholt. Einige, die schon verschwunden waren, kehrten zurück. Dazu mehr unter dem Punkt »In Industrieländern ist kein Platz für Tiere«.
1 R. Bailey (Hrsg.), The True State of the Planet, 1995. 2 ebd. 3 Science vom 16. 8. 1991. 4 J. S. Adams und T. O. McShane, The Myth of Wild Africa, 1992. 5 R. Bailey (Hrsg.), TheTrue State of the Planet, 1995. 6 World Conservation Monitoring Centre, Global Biodiversity, 1992. 7 UmweLtbundesamt, Daten zur Umwelt, 1997. 8 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 2. 4. 1998.
Was sind eigentlich Arten?
Arten sind definierte Einheiten, auf die sich Biologen geeinigt haben. Während es sich bei anderen biologischen Verwandtschaftsbezeichnungen (zum Beispiel Gattung, Familie, Klasse usw.) eher um theoretische Konstrukte handelt, orientiert sich der Begriff »Art« an den wirklich vorhandenen Lebewesen. Arten bilden Fortpflanzungsgemeinschaften; auf Ebene der Arten findet Evolution konkret statt. Laut Definition gehören alle Tiere zu einer Art, die gemeinsam reproduktionsfähige Nachkommen hervorbringen können. Paaren sich dagegen artfremde Lebewesen, etwa Esel und Pferde, sind ihre Nachkommen (Maultiere) unfruchtbar. Menschen aller Rassen gehören zur gleichen Art (dem Homo sapiens), denn ihre Nachkommen können stets wieder Nachkommen hervorbringen.
Neuere Forschungen stellen jedoch die Schärfe des klassischen Artbegriffs in Frage. Biologen bemerkten, daß sich Pflanzen und Tiere gelegentlich über wissenschaftliche Definitionen hinwegsetzen und ihre Artgrenzen ignorieren. So können Arten verschwinden und neue auftauchen, ohne daß den real existierenden Tieren dabei ein Haar gekrümmt wird. Erkenntnisfortschritte zwingen Taxonomen (so heißen die Biologen, die die Klassifizierungen vornehmen und die Arten beschreiben), die Verwandtschaftsverhältnisse der Lebewesen immer wieder neu zu definieren. Der amerikanische Säugetierspezialist C. Hart Merriam kam 1918 zu dem Schluß, daß es Grizzlybären in Wirklichkeit gar nicht gibt. Unter diesem Namen wurden seiner Meinung nach sieben verschiedene Arten versammelt, die sich wiederum in 77 Unterarten einteilen ließen (von denen 58 seinen Namen als Entdecker erhielten). 1 Nach heutigem Stand der Wissenschaft gibt es die Art »Grizzlybär« tatsächlich nicht. Sie hat sich jedoch in die andere Richtung aufgelöst: Grizzlys werden nur noch als Unterart des Braunbären (Ursus arctos)
betrachtet. Um seine Theorie zu beweisen, hatte Merriam übrigens viele hundert Grizzlybären von Jägern erlegen lassen.
Seit Gene sichtbar gemacht werden können, ist richtig Leben in die Register der Taxonomen gekommen. Vieles, was einmal sicher schien, muß neu erforscht werden. Tiere, die so ähnlich aussahen, daß man sie zur gleichen Art rechnete, erwiesen sich als genetisch fremd. So entdeckten Genetiker, daß äußerlich nahezu identische Taufliegen zu verschiedenen Arten gehören können.
Andere, die äußerlich verschieden wirkten, entpuppten sich als eng verwandt. Unterschiedliche Froscharten (beispielsweise Seefrösche und Kleine Wasserfrösche 2 ) paaren sich und bringen fruchtbare Nachkommen hervor. Rotwölfe, die noch bis vor kurzem für eine eigene Art gehalten wurden, wurden als Mischlinge zwischen Wölfen und Kojoten entlarvt, berichtet der Innsbrucker Zoologe Rüdiger Kaufmann. Nordamerikanische Naturschützer stehen nun vor der Frage, ob sie Artenschutzprojekte für den Rotwolf abbrechen, weil ihnen die Art abhanden gekommen ist. 1990 sezierten norwegische Wissenschaftler den Kadaver eines trächtigen Blauwalweibchens, und stellten mit Erstaunen fest, daß das ungeborene Kalb ein Mischling aus Blauwal und Glattwal war. 3
Robert Zingg, Vize-Direktor der Züricher Zoos, berichtet,
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