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Lexikon der Oeko-Irrtuemer

Lexikon der Oeko-Irrtuemer

Titel: Lexikon der Oeko-Irrtuemer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk und Miersch Maxeiner
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Höhepunkt des Aussterbens lag vor 1920. Seit den sechziger Jahren gab es beispielsweise keine größeren Verluste mehr bei den Vogel- und Säugetierarten. Die große Mehrzahl wurde im 18. und 19. Jahrhundert ausgerottet. Die Hauptursachen für die Ausrottung waren Jagd, Lebensraumzerstörung und das Einführen von fremden Raubtieren und Nahrungskonkurrenten durch den Menschen. Unter den in den vergangenen 400 Jahren verschwundenen Tierspezies sind besonders viele Inselarten. Da Landtiere auf Inseln kaum ausweichen können, wurden sie sehr schnell Opfer von Verfolgung und Zerstörung durch Siedler, Seefahrer und von diesen - manchmal absichtlich, manchmal unfreiwillig - eingeschleppten Tieren.
      
    1 Die Woche vom 15. 12. 1995. 2 W. Engelhardt, Das Ende der Artenvielfalt, 1997. 3 Science vom 16. 8. 1991. 4 P. Müller, Allgemeines Artensterben in Konstrukt? Game Conservancy Deutschland e. V. Nachrichten, Nr. 2/1996. 5 Science vom 16. 8. 1991. 6 New Scientist vom 14. 10. 1995. 7 Science vom 16. 8. 1991. 8 New Scientist vom 14. 10. 1995. 9 P.Müller, Allgemeines Artensterben in Konstrukt? Game Conservancy Deutschland e. V. Nachrichten, Nr. 2/1996. 10 B. Groombridge (Hrsg.), IUCN Red List of Threatened Animals, 1993. 11 Die Zeit Nr. 48/1995.

»In der Stadt gibt es keine Natur«
      
    Die Artenvielfalt ist nicht gleichmäßig verteilt. Besonders große Vielfalt brachte die Evolution häufig dort hervor, wo Lebewesen um wenige Nährstoffe konkurrieren müssen. So wachsen zum Beispiel auf kargen Böden weitaus mehr Blumen als auf nährstoffreichen Standorten (aus diesem Grund blüht auf den überdüngten Wiesen vieler Landwirte fast nur noch Löwenzahn). Auch der tropische Regenwald ist - entgegen dem üppigen Eindruck - ein karger Lebensraum. Die vielen grünen Blätter enthalten kaum Nährstoffe. 1 Wenige Tiere werden davon satt, die Zahl der Individuen ist gering. Doch weil der Konkurrenzdruck so stark ist, bilden sich viele Spezialisten heraus, dies fördert die Artenvielfalt. Regenwaldländer wie Indonesien oder Brasilien sind deshalb artenreicher als Deutschland oder Schweden. In Indonesien 2 gibt es beispielsweise 519 Arten Säugetiere, in Deutschland 3 93.
    In den Industriestaaten kam es in den vergangenen Jahrzehnten zu einer erstaunlichen Verschiebung der Artenvielfalt vom Land in die Städte. [Grafik siehe unten] »Unsere Städte sind Naturparadiese geworden«, sagt der Ökologe Josef H. Reichholf. Allein in Berlin leben 141 Brutvogelarten, ungefähr zwei Drittel der in Deutschland nistenden Spezies. Die Zahl der Säugetiere, Reptilien und Amphibien ist ebenfalls erstaunlich hoch. In der Innenstadtzone Berlins wachsen 380 Arten wilder, nicht von Menschen angepflanzter Pflanzen. 4 Die Bundeshauptstadt bildet keine Ausnahme. Reichholf fing und identifizierte im Münchner Stadtgebiet 360 Schmetterlingsarten. 5 Italienische Zoologen fanden heraus, daß 50 Prozent der Vogelspezies ihres Landes in Städten leben. 6 Rechnet man Kleinlebewesen wie Insekten hinzu, beherbergt eine durchschnittliche europäische Großstadt 18 000 Tierarten. 7
    Pflanzen und Tiere erobern die Städte, weil es für sie auf dem Land zusehends ungemütlich wird. Überdüngte Böden und ausgeräumte Landschaften bieten vielen Geschöpfen keinen Lebensraum mehr. Reichholf macht die Landwirtschaft für zirka 70 Prozent des Artenrückgangs in Europa verantwortlich. Auf die klassischen Feindbilder des Naturschutzes, wie Industrie, Bauwirtschaft und Verkehr, entfallen nur vier bis fünf Prozent.
      
Wo brüten in Deutschland die meisten Vogelarten:
      

      
    Städte sind für Vögel und andere Tiere heute lebensfreundlicher als die Agrarwüsten auf dem Lande. Die Grafik zeigt die Anzahl brütender Vogelarten auf jeweils zehn Hektar. (Quelle: Wochenpost 1993)
      
    Dagegen bieten die Städte eine bunte Vielfalt abwechslungsreich strukturierter Lebensräume: Gärten, Parks, Friedhöfe, Gebäudefassaden, Dachstühle, Industriebrachen, Müllkippen. Solche Biotope entsprechen nicht der verbreiteten Vorstellung von schöner Landschaft. Doch Falken und Fledermäusen ist es egal, ob sie in einem romantischen Felsvorsprung wohnen oder unterm Dach eines Bürohauses. Eine Biotopkartierung in Frankfurt ergab ausgerechnet auf dem Gelände eines Gebrauchtwagenmarktes eine besonders hohe Artenvielfalt. 8
      
    1 J. H. Reichholf, Der Tropische Regenwald, 1990. 2 BBC-Wildlife (deutsche Ausgabe), August 1994. 3 Umweltbundesamt, Daten zur Umwelt, 1997. 4

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