Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)
fand im Jahr 8 v. u. Z. statt, hinreichend lange vor dem Tod des Herodes. Zum anderen ließ Kaiser Augustus im Herbst des Jahres 3. v. u. Z. alle Bürger des Römischen Reiches einen Schwur auf den Kaiser, also sich selbst, leisten. Insbesondere mussten alle Juden geloben, nie und nimmer seinen Thron zu stürzen. Dazu begaben sie sich genauso wie zur Steuerschätzung in ihre Geburtsstadt. Akzeptiert man das Jahr 1 v. u. Z. als den Zeitpunkt von Herodes’ Tod, so könnten diese kaiserlichen Festlichkeiten leicht der Anlass für Maria und Josef gewesen sein, nach Bethlehem zu reisen. Insgesamt kommt man zu dem Schluss, dass Jesus irgendwann zwischen 8 v. u. Z. und 1 v. u. Z. geboren wurde. In diesem Zeitrahmen muss man nach dem berühmten Himmelsereignis suchen.
Dabei ist es wichtig, neben astronomischen auch astrologische Gesichtspunkte zu beachten: Der Stern muss nicht einmal besonders hell sein, sondern vor allem bedeutungsvoll. Vor 2000 Jahren waren Sternenkunde und Sternendeutung noch eins, Sterne wurden beobachtet, kartiert, man verfolgte ihre Bahnen, suchte nach Regelmäßigkeiten, und aus alldem sagte man die Zukunft voraus. Erst viele hundert Jahre später geriet die Zukunftsdeutung etwas ins Zwielicht, weil es Wissenschaftlern immer schwerer fiel, an einen Zusammenhang zwischen unserer Zukunft und extrem weit entfernten Gasbällen zu glauben. Sterndeutung war zwar zu Augustus’ Zeit populär, aber die Juden waren davon ausgenommen, bei ihnen galt Astrologie als Blasphemie. Wenig überraschend ist es daher, dass in Israel selbst niemand auf die Idee kam, ein Himmelsereignis mit der Geburt eines neuen Königs zu verbinden. Für die kundigen Weisen jedoch mussten die Vorgänge am Himmel so eindeutig gewesen sein, dass sie laut «Hurra» riefen, auf die Pferde stiegen und gen Westen ritten.
Einige lange diskutierte Kandidaten sehen zwar erhaben aus, kommen aber nach neueren Erkenntnissen eher nicht infrage. Ein gutes Beispiel ist der prominente Komet Halley, der immer wieder auf bildlichen Darstellungen als Stern von Bethlehem auftaucht. Halley erscheint regelmäßig alle 75 Jahre, unter anderem auch im Jahr 12 v. u. Z. Dies ist allerdings nach allem, was oben gesagt wurde, ein paar Jahre zu früh für einen Auftritt als Künder von Jesu Geburt. Man muss Halley aber wegen dieses Missgeschicks nicht bedauern, schließlich ist er trotzdem berühmt geworden. Andere Kometen, die von den aufmerksamen chinesischen Astronomen der damaligen Zeit dokumentiert wurden, etwa in den Jahren 4 und vielleicht auch 5 v. u. Z., kämen theoretisch zwar infrage. Jedoch gibt es zwei Probleme: Zum einen waren die Weisen eben weise und nicht dumm. Kometen lassen sich am Himmel leicht von Sternen unterscheiden, weil sie sich ganz anders bewegen und oft einen Schweif hinter sich herziehen, und diese Unterschiede waren damals bereits hinlänglich bekannt. Warum sollten die Weisen also von einem «Stern» berichten, wenn sie einen Kometen meinten? Zum anderen galten Kometen im Römischen Reich und Persien als Künder von Unheil. Man hätte sich bei so einer Entdeckung eher mit einer Papiertüte über dem Kopf im Keller verkrochen, als die Ankunft eines neuen, ruhmreichen Königs anzukündigen.
Eine zweite, für moderne Astronomen offensichtliche Variante wäre eine Supernova, ein «neuer Stern» am Himmel. Solche Ereignisse werden heute mit großen Teleskopen routinemäßig beobachtet und entstehen entweder im Todeskampf sehr schwerer Sterne oder aber wenn ein schon verstorbener Stern explodiert. Aufgrund dieses Wissens würde man heute kaum auf die Idee kommen, eine Supernova für einen Künder von Glück und Ruhm zu halten, aber über Schicksalsschläge im Leben von Sternen war zur Zeit Augustus’ noch nichts bekannt. Der Effekt jedenfalls ist beeindruckend, plötzlich erscheint am Himmel ein neuer, sehr heller Stern, an einer Stelle, wo vorher nur Dunkelheit war. Johannes Kepler, der im Jahr 1604 Zeuge einer solchen Supernova wurde, schlug darum als Erster vor, den Stern von Bethlehem mit Hilfe eines solchen Ereignisses zu erklären. Seltsam dann nur, dass den akribischen Chinesen im fraglichen Zeitraum nichts Derartiges auffiel. Und zudem bewegt sich eine Supernova nicht relativ zu den Sternen, sie steht immer im selben Sternbild, was klar dem Bericht von Matthäus widerspricht. Darum scheidet auch die so bequeme Lösung einer Supernova für die meisten Experten aus.
Die heute allgemein für plausibel gehaltenen Theorien gehen
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