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Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)

Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)

Titel: Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Passig , Aleks Scholz
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nicht von einem einzelnen Himmelsobjekt aus, sondern vom Zusammenwirken mehrerer Planeten, manchmal mit Unterstützung des Mondes. Um der Wahrheit näher zu kommen, müsste man demnach alle Sterne mit Kometenschweif von den Weihnachtsbäumen entfernen und durch zwei oder drei sich bewegende Lichtpunkte ersetzen. Im fraglichen Zeitraum gab es eine Reihe von seltenen Konstellationen, bei denen sich zwei oder drei Planeten am Himmel nahe kamen. Im Jahr 7 v. u. Z. trafen sich Jupiter und Saturn gleich dreimal innerhalb von sieben Monaten, und zwar im Tierkreiszeichen Fische, ein uraltes Symbol des Judentums. Jupiter galt als Stern des Königs, Saturn als Beschützer der Juden, folglich könnte ihr Zusammentreffen die Geburt eines jüdischen Königs anzeigen, so argumentierte der österreichische Astronom Konradin Ferrari d’Occhieppo in den 1960er Jahren. Im Jahr 6 v. u. Z. trafen sich Jupiter, Saturn und diesmal noch Mars schon wieder im Sternbild Fische, ein zu dieser Zeit offenbar populärer Aufenthaltsort für Planeten. Auch dieses Ereignis käme theoretisch infrage.
    Noch beeindruckender allerdings erscheint eine Abfolge von seltenen Ereignissen, die sich in den Jahren 3 und 2 v. u. Z. zutrugen, zeitgleich mit den Feierlichkeiten zur Ehrung von Kaiser Augustus. Im Mai des Jahres 3 begegneten sich Saturn und Merkur auf engstem Raum. Dann zog Saturn weiter und traf sich im Juni mit Venus. Damit nicht genug, denn die vergnügungssüchtige Venus hatte im August auch noch ein Rendezvous mit Jupiter und wenige Tage danach eines mit Merkur. Zehn Monate darauf, im Juni des Jahres 2 v. u. Z., trafen sich Jupiter und Venus erneut, und diesmal kamen sie sich so nahe, dass sie für das menschliche Auge zu einem einzigen extrem hellen Ding wurden, und zwar im Sternbild Löwe, dem Herrscher des Tierkreises. Hier verschmolz der königliche Planet Jupiter mit Venus im königlichen Sternbild, und gleichzeitig war auch noch Vollmond – könnte man stilvoller einen neuen König ankündigen? Wenige Wochen später kamen Jupiter, Venus, Mars und Merkur noch einmal im Sternbild Löwe zusammen, nur Saturn fehlte unentschuldigt. Im selben Zeitraum vollführte Jupiter zudem einen Schlenker am Himmel: Zunächst umkreiste er im Jahr 2 v. u. Z. den Stern Regulus, hellstes Objekt im Löwen und als Stern des Königs bekannt, bevor er im Dezember des Jahres 2 v. u. Z. für mehrere Tage nahezu zum Stillstand kam, und zwar mitten im Sternbild Jungfrau. Von Jerusalem aus gesehen stand Jupiter in diesen Nächten passend in Richtung Bethlehem – dort ist die Jungfrau mit dem König (Jupiter) in ihrem Leibe. Man könnte dem Sternenhimmel in diesem Fall nicht vorwerfen, sich missverständlich ausgedrückt zu haben. Der Historiker und Meteorologe Ernest L. Martin war es, der im Jahr 1991 dieses zwei Jahre andauernde Planetenspektakel als die astronomische Erklärung für den Stern von Bethlehem präsentierte. Allerdings darf Herodes dafür nicht schon im Jahr 4 v. u. Z. gestorben sein, was noch abschließend geklärt werden müsste.
    Eine noch jüngere Theorie stammt wiederum von einem gelernten Astronomen. Michael R. Molnar sammelt in seiner Freizeit antike Münzen. Aus der Analyse römischer Münzen folgerte er, dass es falsch war, davon auszugehen, die Juden würden vom Sternbild Fische repräsentiert. Stattdessen sieht er eindeutige Hinweise auf eine symbolische Verbindung zwischen Judentum und dem Sternbild Widder. Das, so Molnar, ändert alles. Im April des Jahres 6. v. u. Z. standen die Sonne, Venus, Mars, Jupiter und zeitweilig der Mond, alles wichtige Leute im Sonnensystem, gleichzeitig im Sternbild Widder. Molnar folgert, dass dies der «Stern» von Bethlehem gewesen sein müsse. Oder, wie es sein Kollege Brad Schaefer ausdrückt: «Wow, das hätte jedem Astrologen den Turban weggeblasen.» Molnars Theorie verdeutlicht das eigentliche Problem bei der Weihnachtssternforschung: Es reicht nicht, einen hellen Stern zu finden. Zusätzlich muss man wissen, was der jeweilige Stern bedeutet haben könnte. Insgesamt entsteht eine Art verdrehte Astrologie – Sterndeutung nicht als Reise in die Zukunft, sondern in die Vergangenheit.
    Natürlich ist es wie bei den meisten alten Rätseln leicht möglich, dass die Geschichte um den Stern von Bethlehem nie aufgeklärt wird. Andererseits hat die jüngere Astronomie einige Fortschritte in dieser Frage erbracht, zum Beispiel den Ausschluss der Supernova-Hypothese und die genaue Datierung des Erscheinens des

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