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Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)

Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)

Titel: Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Passig , Aleks Scholz
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Vergleich zur Vermutung der Psychoanalytiker Alfred Adler und Wilhelm Stekel, zu Fußfetischisten würden diejenigen, die als Babys am eigenen großen Zeh gelutscht hätten.
    Generell fällt in der Fetischismusforschung – wenn man die seltenen und verstreuten Erklärungsversuche so bezeichnen kann – auf, dass die gängigen sexuell aufgeladenen Körperteile wie Mund, Brüste, Hintern und Genitalien nicht als Fetische gelten, obwohl sie für die Fortpflanzung nur teilweise wichtig sind. Nur Haare und Füße sind als klassische Fetischkörperteile anerkannt, was mit der Wissenschaftsgeschichte oder mit gesellschaftlichen Konventionen zu tun haben könnte. Dabei können anscheinend die meisten optisch auffälligen Körperteile zum sexuellen Fetisch werden – insbesondere, wenn sie im Alltag meist verpackt sind. Wie häufig die Fetischisierung bestimmter Körperteile oder auch Materialien vorkommt und wie stark diese Häufigkeit von den modischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen abhängt, ist noch unerforscht. Generell gibt es für die wenigsten sexuellen Interessen brauchbares Datenmaterial, mit dessen Hilfe man die Lage in unterschiedlichen Ländern vergleichen könnte, um so mögliche kulturelle Einflüsse aufzuspüren.
    Die kanadischen Psychologinnen Patricia Cross und Kim Matheson überprüften 2006 die gängigsten Theorien über sadomasochistische Sexualität unter Zuhilfenahme gängiger Persönlichkeitstests. Keine der Theorien ließ sich auf diesem Weg bestätigen: Die untersuchten Masochisten litten nicht an sexuellen Schuldgefühlen, wie die Psychoanalyse vermutet, und sie neigten nicht vermehrt zu psychischen Problemen oder Labilität. Die untersuchten Sadisten legten im Vergleich zur Kontrollgruppe keine autoritären Charakterzüge an den Tag, und es fanden sich keine Anzeichen für eine antisoziale Persönlichkeitsstörung. Was Werte und Geschlechterrollen anging, bewegten sich die Anschauungen aller Sadomasochisten in einem relativ profeministischen Rahmen. Auch die These des Psychologen Roy Baumeister, masochistische Praktiken seien ein Mittel von vielen, um das anstrengende neuzeitliche Ichbewusstsein ein bisschen zurückzustutzen, ließ sich nicht bestätigen.
    Alle paar Jahre werden zumindest Daten darüber erhoben, was für sexuelle Verhaltensweisen bestimmte Bevölkerungsgruppen überhaupt an den Tag legen. Aus diesen Studien geht recht eindeutig hervor, dass eine Abweichung von der sexuellen Norm selten allein kommt. Das kann mehrere Gründe haben: Ist nach dem Coming-out als Schwuler schon alles egal und man kann sich auch gleich noch einen Latexfetisch zulegen? Sind sexuell aufgeschlossene und vielseitig interessierte Menschen eher bereit, bei anonymen Telefonumfragen Auskunft über ihr Sexualleben zu geben, anstatt empört aufzulegen? Oder gibt es eine unterschiedlich stark ausgeprägte Bereitschaft zur Ausbildung ungewöhnlicher sexueller Interessen, die sich im Laufe der sexuellen Entwicklung durch – bisher ungeklärte – äußere Einflüsse auf bestimmte Themenfelder heftet? Viele Befragte geben zu Protokoll, die sexuellen Interessen ihres Erwachsenenlebens hätten sich schon deutlich vor der Pubertät gezeigt. Unter Fachleuten ist allerdings umstritten, ob man diesen Erklärungen Glauben schenken soll oder ob es sich um nachträgliche Rechtfertigungen («Ich kann nichts dafür, ich war schon immer so») handelt. Bis auf weiteres ist ungeklärt, ob sexuelle Präferenzen sich im Laufe des Lebens nennenswert wandeln oder durch geeignete Therapieformen geändert werden können oder ob sie spätestens mit dem Ende der Pubertät für immer feststehen. Viele Beobachtungen sprechen einerseits für Letzteres, andererseits gibt es sowohl im religiös-konservativen Lager als auch aufseiten der Subkulturen so ausgeprägte Interessen, die Frage in ihrem Sinne zu beantworten, dass die Aussagen beider mit Skepsis zu betrachten sind.
    Vorerst sieht es jedenfalls nicht so aus, als ließen sich die komplexen Verhaltensweisen, die die menschliche Sexualität ausmachen, auf einfache Ursachen zurückführen. Wahrscheinlich haben sexuelle Interessen mehrere verschiedene Ursachen, und wahrscheinlich hat ein und dieselbe sexuelle Verhaltensweise bei unterschiedlichen Menschen jeweils unterschiedliche Gründe. Vielleicht sollte man doch erst mal die Frage klären, warum die einen Erbsensuppe lieber mögen als die anderen.

Stern von Bethlehem
Also, bei Star Trek waren alle Juden.
William Shatner
    Jedes

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