Liberty 9 - Sicherheitszone (German Edition)

abergläubischen Völker vergleichen! «
    » Wirklich nicht? « Herausfordernd blickte er sie an. » Dann erkläre mir doch mal, warum wir der Erhabenen Macht alles zu verdanken haben, was wir haben und was wir sind, und warum sie das alles tut, wenn sie doch… « Er unterbrach sich und hob die Hand. » Nein, ich will es dir noch viel einfacher machen. Erzähl mir einfach nur, welchen Zweck euer hartes Training in den Sim-Kabinen des Schwarzen Würfels hat. Wozu dient es, dass ihr bei der Formierung der Spektralstäbe oder beim Tanz der Tausend Stäbe, wie ihr es nennt, eine so große Fertigkeit erlangen müsst? Und welche konkrete Aufgabe habt ihr als Electoren letztendlich zu erfüllen, wenn euch das Lichtschiff von hier abgeholt und euch zu eurem hochwürdigen Dienst in den Lichttempel gebracht hat? Was genau ist der Lichttempel? Was geschieht da? Mir das zu erklären, müsste dir nach all den Jahren als Elector doch ein Leichtes sein. «
    Verwirrt sah Kendira ihn an. Sollte sie auf diesen Unsinn eher mit Stolz oder mit Mitleid reagieren?
    » Es hat schon seine guten Gründe, warum all das zum heiligen Mysterium unserer Berufung gehört! « , teilte sie ihm reichlich von oben herab mit.
    Dante atmete tief durch, schüttelte kaum merklich den Kopf und sagte schließlich sehr beherrscht: » Es war nicht fair von mir, dich das zu fragen. Denn natürlich kannst du ja gar nichts anderes darauf antworten als das, was man dir und uns all die Jahre immer wieder eingetrichtert hat. Darum lassen wir das besser. «
    » Schön, dass wir endlich mal einer Meinung sind « , erwiderte Kendira und bemühte sich um einen versöhnlichem Tonfall. Aus irgendeinem Grund wollte sie nicht, dass er sie für hochmütig hielt oder sonst schlecht von ihr dachte.
    Dante lächelte verhalten. » Vielleicht stimmt ja mit mir was nicht « , sagte er verunsichert. » Aber ich kann einfach nicht anders, als mir über all die vielen Ungereimtheiten Gedanken zu machen. «
    » Fang nicht wieder damit an! « Scherzhaft drohte sie ihm mit dem Finger.
    » Keine Sorge, ich meine jetzt etwas völlig anderes. Es geht um die Wörter und Redewendungen, die wir tagtäglich benutzen, ohne zu wissen, woher sie eigentlich kommen. ›O mein Gott!‹, ›Um Himmels willen!‹ oder ›Fahr zum Teufel!‹– wo kommen all diese Redewendungen her, Kendira? Warum heißen eure monatlichen Versammlungen in der Basilika Licht? Woher kommt überhaupt dieses Wort ›Messe‹ oder ›Basilika‹ oder ›heilig‹? Und wer hat sich die Bezeichnungen ›Refectorium‹, ›Klausur‹ oder ›Konvent‹ ausgedacht? Und zu welchem Zweck? «
    Kendira lachte. » Du machst dir wirklich verrückte Gedanken! Ich habe auch keine Ahnung, wo all die Redewendungen herkommen und warum es ›Messe‹ oder ›Basilika‹ heißt. Aber ich kann dir genauso wenig sagen, warum die landwirtschaftlichen Betriebe unten im Tal ›Eden‹ heißen oder warum man dieses Ding hier, auf dem wir sitzen, als ›Bank‹ bezeichnet oder warum man einen Stein ›Stein‹ und eine Eiche ›Eiche‹ nennt und nicht etwa Grizzly, Pumpe oder was weiß ich. « Sie warf die Hände in die Luft. » Herrje, das hat eben irgendjemand vor unzähligen Jahren… nein, Jahr tausenden einmal so benannt, wer weiß, aus welchem Grund, und damit hat es sich eben. Und ›heilig‹ ist einfach nur ein anderes Wort für ›besonders kostbar‹. Aber was beispielsweise ›Refectorium‹, ›Konvent‹ und ›Klausur‹ angeht, so sind das einfach Wörter aus dem Lateinischen. Refectorio bedeutet in der Sprache der alten Römer nun mal Wiederherstellung und Labung, conventus steht für Zusammenkunft und Gemeinschaft und clausura für Eingeschlossensein. «
    » Okay, das verstehe ich schon, aber warum benutzen wir ausgerechnet diese uralten lateinischen Bezeichnungen und nicht irgendwelche moderneren Wörter? « , grübelte Dante. » Das muss doch irgendeinen tieferen Grund, eine Geschichte haben. «
    » Ich wette, die Wörter ›Wasserpumpe‹, ›Kloschüssel‹ oder ›Kutte‹ haben bestimmt auch irgendeine unglaublich spannende Geschichte « , sagte Kendira mit gutmütigem Spott. » Doch wen interessiert das, dich mal ausgenommen? Und was hätten wir davon, wenn wir das wüssten? «
    Dante schwieg kurz und starrte nachdenklich in die Bäume. » Vielleicht ist das ja wirklich verrückt, dass ich so viel darüber grüble. Wenn ich nur nicht… « Er zögerte und biss sich auf die Unterlippe.
    » Wenn du nur nicht was? «
    » Na