Liberty 9 - Sicherheitszone (German Edition)
über alles Stillschweigen zu wahren, wenn sie sich nicht selbst auf den Cleansing-Stuhl bringen wollte. Ob es ihr nun gefiel oder nicht, Nekia war in dieser Stunde zu einer Komplizin geworden.
» Wer ist wir? « , fragte Nekia sogleich nach.
Dante tat so, als hätte er ihre Frage nicht gehört. Sie hatten den Treppenaufgang erreicht. » Wartet hier! Ich sehe erst mal oben nach, ob die Luft rein ist! Wenn ihr mich an die Tür klopfen hört, könnt ihr hochkommen. Hört ihr mich pfeifen, versteckt ihr euch dort drüben. « Er wies auf eine Tür schräg gegenüber der Treppe. Sie gehörte schon zu dem Gang, der nach rechts zu den Heizungsanlagen führte. » Das ist ein alter Toiletten- und Waschraum, der nie abgeschlossen ist, weil da nur Putzsachen aufbewahrt werden. Aber ich bin sicher, dass das nicht nötig sein wird. Da oben im Flur treibt sich jetzt keiner mehr herum. Ich will jedoch nichts riskieren. Also wartet hier! «
Kendira und Nekia nickten.
Er schaltete das Ganglicht aus und huschte aufleisen Sohlen die Treppe hoch.
Sie warteten im Dunkeln und lauschten angestrengt nach oben. Dann kam das befreiende Klopfzeichen. Schnell erklommen sie die Treppe und Augenblicke später ließ Dante sie durch die Hintertür hinaus in die Klausur.
» Denkt noch mal gut über Master Seywards Botschaft nach « , raunte er ihr noch zu. » Wir müssen unbedingt rausfinden, was er uns damit hat sagen wollen. «
Kendira nickte.
Nekia machte eine finstere Miene. » Ich werde dir sagen, was wir vor allem müssen! «
» Und das wäre? « , fragte Dante.
» Nämlich höllisch aufpassen, dass wir uns nicht um Kopf und Kragen reden und letztlich auf den Stuhl bringen, bloß weil wir es nicht lassen können, uns um Sachen zu kümmern, die uns nichts angehen. «
Ein kaum merkliches Lächeln huschte über Dantes Gesicht. » Ich halte dich nicht für so einfältig, dass du dir selbst ein Denkverbot geben würdest. Aber lass uns später noch mal in aller Ruhe darüber reden « , sagte er. » Ich muss jetzt hier schleunigst verschwinden. « Er nickte Kendira zu, wandte sich von ihnen ab und verschwand in der Dunkelheit.
» Es wird kein Später geben! « , riefNekia ihm grimmig, aber leise nach.
» Komm, lass uns zum See laufen « , sagte Kendira. » Die andern werden sich schon wundern, wo wir bleiben. « Im Augenblick wollte auch sie nicht weiter über all das Rätselhafte und Verstörende nachdenken, in das Dante sie immer tiefer verstrickt hatte. Fast wünschte sie, ihn in jener Nacht nicht am Kletterfelsen überrascht zu haben. Wenn sie danach doch wenigstens Distanz zu ihm gehalten hätte! Dann wäre ihre Welt jetzt noch heil und ihr Vertrauen in ihre Berufung zum hochwürdigen Dienst sowie in das rechtschaffene Handeln ihrer Oberen unbeschadet geblieben!
» Ja, aber unsere Schwimmtrikots brauchen wir gar nicht mehr zu holen. Das lohnt sich nicht mehr. Dafür ist es schon zu spät « , sagte Nekia verdrossen nach einem kurzen Blick auf die Uhr. » Aber ich bin ja selber schuld, dass ich dir gefolgt bin und dafür in der finsteren Zelle tausend Tode ausgestanden habe, statt in dieser tollen warmen Nacht Spaß am See zu haben. Es tut mir leid, dass ich dir nachgeschnüffelt habe, aber ich konnte einfach nicht anders. Es war nicht böse gemeint, das musst du mir glauben! «
» Lass uns nicht mehr darüber reden, Nekia! Seien wir lieber froh, dass wir mit heiler Haut davongekommen sind « , sagte Kendira.
Sie kürzten sich den Weg zum Liberty Lake um ein gutes Stück ab, indem sie mehrmals von den gewundenen Kieswegen abwichen, die an vielen Stellen große Bögen schlugen. So auch um das große Labyrinth. Dort nutzten sie die Lücken in den alten, mannshohen Hecken, wo einige Sträucher abgestorben waren und man sich leicht durch das tote Gezweig hindurchzwängen konnte.
Schließlich lag der Liberty Lake vor ihnen. Er hatte die Form eines Flaschenkürbisses mit einem dicken langen Hals und erstreckte sich hinter dem Vista Hill gute anderthalb Kilometer in der Länge. Seine breite Unterseite schmiegte sich an den Hang des Vista Hill, der hier in eine weite Grasfläche auslief. Diese zog sich, unterbrochen von allerlei Gebüsch, einigen kleineren Baumgruppen und hohem Uferschilf, um die östliche Seeseite herum. Dort befand sich auch das Bootshaus, das auf Holzstützen zur Hälfte auf den See hinausreichte. Die Wände hatten einen frischen dunkelgrünen Anstrich, die schweren Holzläden vor den Fenstern sowie die beiden Flügel
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