Liberty 9 - Todeszone
zu verabschieden. Akahito ließ nicht zu, dass dabei viele Worte gemacht wurden. » Seht lieber zu, dass ihr euch rasch auf den Weg macht! « , schnitt er ihnen das Wort ab, als sie sich für ihre Rettung nach dem Crash und alles andere bedanken wollten.
Liang ließ es sich jedoch nicht nehmen, ihnen noch ein paar stärkende Worte mit auf den Weg zu geben. » Ich hoffe, ihr könnt bei Major Marquez etwas erreichen und eure Freunde auf der Insel doch noch heraushauen. Der Zeitpunkt ist jedenfalls günstig, das habt ihr ja auch von unserem Tai-Pan gehört. «
» Lass sie endlich gehen! « , drängte Akahito, packte ihn am Arm und zog ihn mit sich fort.
» Viel Glück! « , rief Liang ihnen noch zu.
» Ja, schätze mal, sie werden es brauchen! « , knurrte Akahito und stiefelte mit Liang die Treppe hinunter.
Dusty Tumbleweed blickte einen Augenblick stumm in die Runde der neun Libertianer, die in einem Halbkreis vor ihm standen und sich alle Mühe gaben, sich ihre Anspannung und Beklommenheit nicht anmerken zu lassen. Nur Hailey hatte ein wirklich ausdrucksloses Gesicht. Sie schaute an ihm vorbei in die Tiefe des Raums, als gäbe es da etwas viel Interessanteres zu beobachten.
Kendira erwartete, dass der Runner nun kurz mit ihnen reden, sie nach ihren Namen fragen und sie über das informieren würde, was vor ihnen lag. Doch nichts davon war der Fall. Stattdessen sagte er nur: » Mein Name ist Dusty und ich bin euer Runner. Schätze mal, ihr wisst, worauf ihr euch eingelassen habt. Haltet euch still und tut genau das, was ich euch sage– dann haben wir alle eine ganz passable Chance, mit heiler Haut durch das Shadowland zu kommen! Also dann, gehen wir es an! « Und ohne eine Antwort abzuwarten, drehte er sich um und stiefelte mit wehendem Umhang und leise klirrenden Sporen voran.
» Sagt mal, hat einer von euch da draußen irgendwo ein Pferd angebunden gesehen? « , fragte Carson leise.
Niemand lachte.
49
Je tiefer Dusty Tumbleweed sie in die Dunkelwelt führte, desto mehr erschien sie Kendira wie ein gigantischer Kadaver– erst von Geschossen zerfetzt, dann von wildem Getier ausgeweidet und nun umsirrt von Schmeißfliegen, die zusammen mit einem Heer wimmelnder Käfer und Würmer über die fauligen Reste herfielen.
Jede Straße, durch die Dusty sie führte, zeigte dasselbe trostlose Bild: Gebäudereste mit zerborstenen Glasscheiben; aufgerissene Asphaltdecken, in deren Spalten und Löchern Unkraut und Gesträuch wuchs; geborstene Rohre, die aus dem Boden oder aus Mauerstücken ragten; herabhängende, zerfetzte Kabel; längst erloschene Ampeln, die von einem geknickten Mast hingen oder aus einem Schuttberg hervorragten; verrostete, durchlöcherte Verkehrsschilder; der abbröckelnde Betontorso einer Brücke auf hohen Pfeilern, die im Nichts begann und nach wenigen Metern im Nichts endete; Skelette von Hochhäusern in allen Stufen der Zerstörung; ausgebrannte Autowracks und endlose Mengen vonDreck und Schutt und stinkendem Abfall und Fäkaliengruben.
Mit vorrückender Nacht begegneten ihnen auf den Straßen und Trümmerwegen immer weniger Menschen. Aber dass die Ruinen, Höfe und Bretterverschläge um sie herum alles andere als ausgestorben waren, verrieten ihnen die vielfältigen Geräusche, die flackernden Lichter und die Rauchschwaden, die aus den Trümmerbehausungen zu ihnen drangen.
Hier und da stießen sie aber auch auf Hinweise, dass die Bewohner im Umkreis einiger Ruinenblöcke zähen Widerstand gegen das sie umgebende Elend leisteten. Derartige Anzeichen fanden sich zumeist in der näheren Umgebung von einstigen Grün- und Parkanlagen. Alte Bäume wuchsen dort zwar längst keine mehr. Die letzten waren schon wenige Jahre nach dem zweiten Erdbeben gefällt und verfeuert worden. Aber die Anwohner hatten diese kleinen Stadtparks in Äcker und Gemüsefelder verwandelt, die von hohem, rostigem Stacheldraht umzäunt waren und selbst bei Nacht von bewaffneten Männern bewacht wurden.
In den ersten beiden Stunden, die sie mit Dusty unterwegs waren, musste der Runner dreimal Wegzoll bezahlen. Beim ersten Mal versperrten ihnen weniger die dicken Eisenketten, die quer über die Straße gespannt waren, den Weg, als viel mehr die Wachposten dahinter– und insbesondere die fünf doppelten Gewehrläufe von Schrotflinten. Die Läufe waren in kreisförmiger Anordnung auf ein Gestell montiert, das auf einer mit Rollen versehenen Holzplattform ruhte, und alle Abzüge waren miteinander verbunden.
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