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Licht

Titel: Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. John Harrison
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Schirmen hoch. Sie verströmten Licht. »Hier war ich schon mal«, sagte er, »aber ich kann mich… Da! Rotieren lassen! Noch mal. Jesus, das ist die Radio Bay!«
    Schlimmer noch. Er war in seinem alten Jagdrevier – das war die Gravitationsschneise bei Radio RX-1. Unter ihm tobte die Akkretionsscheibe, pausenlos erschüttert von den nadelscharfen Ausbrüchen im weichen Röntgenbereich. Er kam im steilen Winkel herein, volle Kraft voraus. Er empfing nichts als die Funkfeuer der verwaisten Forschungskolosse – Easyville, Moscar 2, The Scoop: Dann, sehr schwach, der legendäre Zungenbrecher von Billy Anker, seine Transsubstanziationsstation – Floskeln so alt wie Rost, die Vergangenheit holte ihn ein, unvollständig, unzusammenhängend, ausgetwinkt. Er glaubte bereits die Gischt der Schwartzschildbrandung zu spüren, sah sich und seinen Frachtkahn bereits den finalen Black-Hole-Boogie tanzen… »Abdrehen!«, befahl er der Direktverbindung. Nichts geschah. »Erteile ich Befehle oder nicht?«, fragte er die Schattenoperatoren. »Seht ihr, wie sich meine Lippen bewegen?« Sie wandten den Blick ab und bedeckten ihr Gesicht. Dann gewahrte er am inneren Rand der Akkretionsscheibe eine diffuse, zarte Lichtspindel.
    Er lachte auf. »O nein.«
    Das war Billys Wurmloch.
    »Nun komm, Billy«, sagte Ed, als sitze Billy Anker neben ihm und sei nicht bei genau diesem Abenteuer vor mehr als zehn Jahren ums Leben gekommen: »Sag mir, was ich tun soll?«
    Etwas hatte die Schiffsmathematik unterwandert. Es befand sich innerhalb der Tate-Kearney-Transformationen, fraktal zusammengefaltet zwischen den Algorithmen. Es war riesig. Als Ed mit dem Ding reden wollte, wurden alle Systeme heruntergefahren. Die Bildschirme erloschen, die Schattenoperatoren, die es dort schon vor Tagen gespürt hatten, sausten in panischer Angst mal hierhin, mal dorthin, streiften Eds Gesicht wie uralte Musselinfetzen. »Das haben wir nicht gewollt«, erklärten sie ihm. »Du solltest hier nicht reinkommen!« Ed schlug mit den Händen nach ihnen. Dann flammten die Schirme wieder auf und plötzlich sprang das Wurmloch ins Blickfeld, ganz deutlich und nahe, eine Spindel aus Nichts vor der unverhohlenen Grimasse von RX-1.
    Der gesamte lokale Raum der Perfect Low hatte sich inzwischen in eine hektische purpurrote Wolke verwandelt, in der man die Sarkophage der Aliens ihre chaotischen Orbits weben sah, immer schneller und schneller wie die Schiffchen eines automatischen Webstuhls. Er spürte, wie das Schiff bis ins Mark erschüttert wurde, während es sich einem katastrophalen Ereignis näherte, dem Phasenwechsel, dem Sprung zum nächsten stabilen Zustand.
    »Zur Hölle«, sagte Ed. »Was geht da draußen vor?«
    Ein gutmütiges Lachen perlte in den Raum, dann sagte eine weibliche Stimme: »Sie sind der Antrieb, Ed. Was hast du denn gedacht?«
    In der Stille, die dieser Erklärung folgte, halluzinierte Ed eine weiße Katze, die an seinen Füßen hockte: Auf diese Weise dazu verleitet, nach unten zu blicken, gewahrte er stattdessen, wie eine Art Lichtschaum aus dem Aquarium quoll und seine Fühler nach ihm ausstreckte.
    »He!«, schrie er.
    Mit einem Satz war er aus dem Pilotensessel. Die Schattenoperatoren breiteten die Arme aus und wichen vor ihm zurück ins dunkle und verwaiste Schiff, raschelnd und knisternd vor Entsetzen. Es quoll immer noch mehr Lichtschaum aus dem Aquarium, Millionen Lichtpunkte, die sich zu einem kalten fraktalen Tanz um Eds Füße sammelten und zu einer Gestalt türmten, die ihm bekannt vorkam. Jeder einzelne Punkt (und alle Punkte, aus denen er sich zusammensetzte, und alle Punkte, aus denen sich diese Punkte zusammensetzten) würden dieselbe Gestalt bilden. »Und so weiter«, hörte er jemanden sagen. »Ohne Ende.« Plötzlich übergab er sich. Vor ihm setzte sich allmählich das Wesen zusammen, das sich Sandra Shen nannte.
    Was immer sie war, sie verfügte über Energie. Zuerst manifestierte sie sich als Rotschopf namens Tig Vesicle, der einen Happen Muranofisch in Curry von den Plastikzinken seiner Einweggabel aß. »Hi, Ed«, sagte Tig. »Wir sind Scheiße! Weißt du das?« Damit nicht genug, verwarf sie Tig Vesicle und manifestierte sich als Tigs Frau, halb nackt im Duster des Geheges. Ed war derart baff, dass er sagte: »Neena, ich…« Bevor er weiterreden konnte, wurden aus Neena die Cray-Schwestern. »Idiot«, sagten sie wie aus einem Mund und lachten. Vor jeder neuen Version tauchte Sandra Shen den Kontrollraum in ein Meer aus

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