Licht
›drückte‹ er ein Terra-Heroin, das mit den Ribosomen eines maßgeschneiderten Krallenaffen verschnitten war. Als ihm das Geld ausging, betätigte er sich im kleineren Rahmen als Dieb, Dealer und Zuhälter. Na ja, der Rahmen durfte manchmal etwas größer sein. Doch sein Herz unter der nicht mehr ganz so sauberen Weste lechzte nach Leben, und wo lebte es sich intensiver als auf der Schwelle zum Tod. Davon war er schon als Kind überzeugt gewesen, genauer, seit seine Schwester ihn verlassen hatte. Und Ed landete am Strand in Sigma End, wo er sich mit Typen wie dem legendären Billy Anker einließ, der damals von Radio RX-1 besessen war.
»Mann«, sagte Ed zu Tig, »ich kann dir gar nicht sagen, was der alles durchgezogen hat.« Er grinste. »Ein paarmal war ich mit von der Partie«, sagte er. »Aber das war lange nicht das Größte.«
Vesicle schwirrte der Kopf. Er hatte Kinder. Er hatte Neena. Er lebte ein Leben. Alles, was Ed ihm da erzählte, kam ihm so sinnlos vor. Er wurde nicht klug daraus. Was hatte aus Ed einen Twink gemacht, wo doch ein Twink das genaue Gegenteil von alledem war? Was bringt es einem, sich in irgendeinem Tank billigen Phantasien hinzugeben, nachdem man auf dem Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs gesurft hat?
Ed grinste sein schlaues Grinsen.
»Ich seh das so«, sagte er: »Wenn du alles Lohnenswerte getan hast, dann bleibt dir nur noch das zu tun, was sich nicht lohnt.«
Er wusste also keine Antwort. Vielleicht war er von Natur aus ein Twink, und das Twinken hatte die ganze Zeit auf der Lauer gelegen. Hatte nur auf den richtigen Augenblick gewartet. Dann eines Tages bog er um eine Ecke – auf welchem Planeten eigentlich? – und da hatte es gestanden: BE ANYTHING YOU WANT TO BE. Er hatte bisher nichts ausgelassen, warum sollte er jetzt eine Ausnahme machen? Von da an hatte ihn das being anything he wanted wenn nicht alles so doch das meiste gekostet. Schlimmer noch: Wenn es früher in seinen wilden Jahren nicht viel gegeben hatte, woran ihm wirklich gelegen war, dann gab es jetzt noch weniger davon.
Er tröstete sich mit dem Vorsatz, das Twinken aufzugeben, sobald er wieder bei Kasse war.
So konnte es nicht weitergehen. Das wusste Ed. Er hatte Schuldträume. Wenn er nachts aufwachte, bekam er Panikattacken. Dann, eines frühen Abends, während er Neena vögelte, passierte das alles auf einmal.
Jeden Tag durchlief das Gehege einen Zyklus, in dem die Geschäftigkeit unmerklich der Stille wich und diese wiederum der Geschäftigkeit. Das wiederholte sich drei- oder viermal am Tag. Für Ed hatten die Stilleperioden etwas Gespenstisches. Ein kühler Durchzug vernetzte die Kabuffs. Wie Ikonen schimmerten die Bilder vom Kefahuchi-Trakt von den billigen Postern. Die Kinder schliefen oder waren draußen auf dem Müllplatz zwischen hier und der Werft. Ab und zu nieste oder seufzte jemand: Das machte es nur noch schlimmer. Man kam sich gottverlassen vor. So war das immer am frühen Abend und an diesem Abend war es, als hätten alle Menschen aufgehört zu leben, im ganzen Universum, nicht bloß hier drinnen.
Alles, was Ed hörte, war das heftige Atmen von Neena. Sie nahm eine ganz vertrackte Position ein: bauchunten auf einem Knie, eine Wange gegen die Wand gepresst. »Stoß fester«, nuschelte sie immer wieder. Was Ed, der voller Erinnerung und Melancholie war, veranlasste, seine Position zu korrigieren, und dazu führte, dass er über ihren langen weißen Rücken hinweg den dunklen Schemen auf der Türschwelle sah, der ihn und Neena beobachtete. Erst glaubte Ed seinen Vater zu halluzinieren. Etwas wie pure Düsternis ergoss sich über ihn, eine Erinnerung, die er nicht identifizieren konnte. Dann schauderte er (»Ja«, sagte Neena. »O ja!«) und blinzelte.
»Jesus. Bist du das, Tig?«
»Ja. Ich bin es.«
»Sonst kommst du nie so früh.«
Vesicle spähte unsicher in das Kabuff, schien eher verwirrt als verletzt. »Bist du das, Neena?«, sagte er.
»Natürlich bin ich das.« Sie klang verärgert und ungeduldig. Sie stieß Ed beiseite und sprang auf, strich ihren Kittel glatt, fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Wen hast du erwartet?«
Tig schien zu überlegen.
»Keine Ahnung.« Im nächsten Augenblick sah er Ed offen ins Gesicht und sagte: »Ich habe niemanden erwartet. Ich dachte…«
»Ich glaube, ich geh jetzt besser«, bot Ed an und verkniff sich jede Geste. Er hatte Mühe, seinen Steifen in die Hose zu stopfen.
Neena starrte ihn an. »Was? Nein«, sagte sie. »Wegen
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