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Licht

Titel: Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. John Harrison
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hätten Eds Geschichte erzählen sollen, aber sie taten es nicht.
    »Ich kannte ein paar tolle Typen«, begann er eines Nachts in der Hoffnung, durch Reden ein bisschen Licht ins Dunkel zu bringen. »Wie soll ich sagen, richtig irre Typen. Lauter Leute mit sieben Leben.«
    »Was für Leute?«
    »Naja, es gibt sie überall in der Galaxis«, versuchte Ed zu erklären, »Typen, die es einfach tun!«
    »Was tun?«, fragte Tig.
    Ed konnte nicht begreifen, dass Tig ihn nicht verstand. »Na ja, alles eben«, sagte er. Sie hatten Ecke Dioxin und Photino gestanden. Es war vielleicht halb zwei, halb drei in der Früh gewesen. Die Straßen waren so gut wie leer. Über allem der Nachthimmel mit seinem Gesprengsel an Sternen. Wie ein Triefauge funkelte aus dem Abseits der Kefahuchi-Trakt. Ed machte eine gedankenlose, allumfassende Geste. »Einfach alles«, sagte er.
    Was er meinte, war Folgendes:
    Von jungen Jahren an war Ed Chianese eine Art sensualistischer (* Der Sensualist führt alle Erkenntnis auf Sinneswahrnehmung zurück.) Wanderer zwischen den Welten gewesen. Er konnte sich nicht entsinnen, von welchem Planeten er stammte. »Vielleicht ist es ja der hier!« Er lachte. Er hatte die Heimat ganz früh verlassen. Nichts hatte ihn halten können. Er war ein großes schwarzhaariges unbedarftes Kind gewesen, das Katzen mochte, immerzu grundlos aufgedreht war und sich weniger nach Freiheit als nach Selbständigkeit sehnte. Drei Jahre lang flog er mit Dynaflow-Schiffen von Planet zu Planet, bis es ihn an den Strand verschlug. Dort ließ er sich mit Typen ein, für die das Leben erst lebenswert war, wenn es auf der Kippe stand. Und das hieß, den Kefahuchi-Boogie tanzen. Das hieß, Expeditionen ins Ungewisse planen. Das hieß, mit Einmannbooten durch stellare Gashüllen surfen, so genannten Tauchschiffen, die hauptsächlich aus Mathematik, Magnetfeldern und einem intelligenten Kohlenstoff bestanden. Das trauten sich nicht mehr viele.
    Das hieß, die alten exotischen Labyrinthe durchlaufen, die über die künstlichen Systeme des Halo verstreut waren. Darin war Ed gut. Er hatte Cassiotone 9 in Al Hartmeyers Bestzeit gescharrt, einem Typ aus dem alten Heavyside Layer, (*Etymologische Anmerkung: Heavyside Layer = Katzenhimmel (Musical Cats) / nach dem brit. Physiker Heaviside benannter Teil der Ionosphäre = Heaviside Layer = Heaviside-Schicht.)den man zu Lebzeiten für einen ausgemachten Narren gehalten hatte. Noch nie ist jemand weiter in das Labyrinth auf Askesis vorgedrungen als Ed, weil nur Ed wusste, wo es sich befand. So was machte man entweder für Geld, weil man einen Vertrag mit einer bescheuerten Tochtergesellschaft von EMC unterschrieben hatte. Oder man machte es aus sportlichem Ehrgeiz. Ed trieb sich jedenfalls jahrelang mit diesen extremen Typen herum, Grenzgängern, Himmelsakrobaten, Teilchenjockeys und Draufgängern, die inmitten gewaltiger, schwer durchschaubarer, exotischer Maschinen nach Punkten jagten. Manche von den Typen waren Frauen. An dem Tag, da Liv Hula in ihrem Hypertaucher Saucy Sal (* Saucy Sal = Frecher Salvatore.) aus der Photosphäre der lokalen Sonne zurückgekehrt war, hatte Ed sich im Hotel Venedig auf France Chance IV (* France Chance = Keine Chance.) aufgehalten. Noch nie war jemand so tief gekommen. Kaum war sie wieder in Sicherheit gewesen, hatte man den Jubel noch in einem Lichtjahr Entfernung hören können. Sie war die Erste, die so tief eingedrungen war: Sie war die allererste gewesen! Er hatte vier Wochen lang in einem Frachter im Parkorbit von Tumblehome gehaust, derweil Dany LeFebre den Verlauf der unbekannten Krankheit abwartete, die sie sich auf der Oberfläche zugezogen hatte. Er hatte sie schließlich da herausgeholt. Halb wahnsinnig war sie gewesen. Halb tot. Dabei hatte er sie kaum gekannt.
    Überall, wo ein Kick wartete und sich bestimmte Leute einfanden, um ihn sich zu holen, war auch Ed zur Stelle. Geh tiefer, hieß die Parole: He, tiefer, hörst du? Dann war etwas passiert, woran er sich nicht mehr erinnerte, woraufhin er sich von alledem entfernt hatte. Vielleicht lag es an jemandem, den er kannte; vielleicht lag es an etwas, das er getan hatte; vielleicht lag es doch an Dany, die zu ihm aufgeblickt hatte, ohne je wieder sprechen zu können. Eine einzige Träne war über ihr Gesicht gelaufen. Danach schien es mit Ed ein wenig bergab zu gehen, nicht dass er Leerlauf gehabt hätte. Auf Badmarsh schluckte er Proasavin-D-2 und in den Orbitalstädten des Kauffman Cluster

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