Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Licht

Titel: Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. John Harrison
Vom Netzwerk:
großen Handtaschen an den Busen gepresst wie Frauen, die um sieben Uhr abends am Rand des Bekleidungsviertels unterwegs waren, um Spaß zu haben, und nicht abgeneigt, Geistreiches zu trinken, Drogen zu nehmen und sich auf das einzulassen, was die Welt zu bieten hatte. Weil es so kalt war, trugen sie zur Kombination aus schwarzem Rock und Sekretärinnenbluse noch ein hüftlanges Jäckchen aus Pelzimitat. Bella trug außerdem noch ein Pillbox-Hütchen aus dem gleichen Material. Die bloßen Beine über den schwarzen wadenhohen Winterstiefeln waren gerötet und aufgesprungen. Evie Cray hatte den Reißverschluss ihrer Handtasche halb aufgezogen, als sie aufblickte.
    »Oh, du kannst gehen, meine Liebe«, sagte sie zu Neena als sei sie überrascht, sie noch zu sehen. »Wir brauchen dich nicht.«
    Neena Vesicle blickte von Ed zu ihrem Mann. Sie machte eine verlegene Geste.
    »Nein«, sagte sie.
    »Geh schon«, sagte Ed sanft. »Mich wollen sie haben.«
    Neena schüttelte stur den Kopf.
    »Du kannst gehen«, sagte Ed.
    »Ihn wollen wir«, pflichtete Evie Cray ihm bei. »Du gehst jetzt, meine Liebe.«
    Tig Vesicle nahm Neenas Hand. Sie ließ sich ein, zwei Schritte fortziehen, doch Körper und Augen blieben Ed zugewandt. Ed schenkte ihr sein freundlichstes Lächeln. Geh, formten seine Lippen lautlos. Dann laut: »Und danke für alles.«
    Neena lächelte unsicher zurück.
    »Übrigens«, sagte Evie Cray, »deinen lausigen Gatten wollen wir auch.«
    Sie griff in ihre Handtasche, doch Ed hatte bereits den HiLite-Selbstlader in der Hand und hielt ihn Evie so dicht vors Gesicht, dass die Mündung unter dem linken Augen aufsetzte und die Haut eindellte. »Lass die Hand in der Tasche, Evie«, riet er ihr. »Und mach auch sonst keinen Mucks.« Er musterte sie von oben bis unten. »Es sei denn, du führst ein Cultivar spazieren.«
    »Wirst du nie erfahren, du Idiot«, sagte sie.
    »Bring ihn um, Bella!«, sagte sie.
    Ed starrte über ihren Kopf hinweg geradewegs in die Mündung von Bella Crays schwerer Chambers-Pistole. Er zuckte mit die Achseln.
    »Drück ab, Bella!«, sagte er.
    Tig Vesicle beobachtete die Pattsituation und ging dabei langsam rückwärts. Er ließ Neenas Hand nicht los. »Mach’s gut, Ed«, sagte er. Er drehte sich um und lief die Straße hinunter. Anfangs musste er Neena mitziehen, doch dann schien sie aufzuwachen und fing an, mutig mit allen vieren zu rudern. Die beiden erinnerten an einen gewaltigen, linkischen Vogel. Der Schnee hatte ein Einsehen und verwirbelte ihren hampelnden Laufstil. Ed Chianese fiel ein Stein vom Herzen, denn er hatte den beiden eine Menge zu verdanken. Hoffentlich kamen sie miteinander klar und besannen sich auf ihre Kids und waren glücklich.
    »He«, sagte er geistesabwesend, »geht tiefer, hört ihr?«
    »Idiot«, sagte Evie Cray.
    Es tat einen lauten Knall, als die Waffe in ihrer Handtasche losging. Die Tasche explodierte und ein Chambers-Raketengeschoss sang die Straße hinunter. Ed war vor Schreck zusammengefahren und schoss Evie in die linke Gesichtshälfte. Sie erstarrte und kippte ihrer Schwester rückwärts auf die Chambers, sodass Bella ihr, ohne es zu wollen, auch noch in den Hinterkopf schoss. Evie sackte zu Boden, und Ed trat um sie herum und setzte Bella die Mündung der HiLite unters Kinn.
    »Ich hoffe, es war ein Cultivar«, sagte er. Dann drohend: »Lass die Kanone fallen, es sei denn, du führst auch eins spazieren!«
    Bella blickte auf ihre Schwester hinunter, dann sah sie Ed an.
    »Du verdammtes Stück Scheiße«, sagte sie. Sie ließ die Pistole fallen. »Du wirst keine Ruhe mehr haben. Du wirst nie wieder Ruhe finden.«
    »Also kein Cultivar«, sagte Ed. Er zuckte die Achseln. »Tut mir Leid.«
    Er wartete, bis er sicher sein konnte, dass Tig und Neena Vesicle entkommen waren. Dann las er die Waffen auf und floh damit in entgegengesetzter Richtung. Er hatte keine Ahnung, wohin. Der Schnee ging bereits in Regen über. Hinter sich hörte er Bella nach ihren Söldnerpunks schreien. Er warf einen Blick über die Schulter und sah, wie sie sich abmühte ihre Schwester in eine sitzende Position zu bringen. Unter dem Licht der Straßenlaterne schlappten die Reste von Evies Kopf wie nasse Stofffetzen vor und zurück. Aus kürzester Entfernung, dachte er. Direkt zwischen die Augen.

 
16
     
Risikokapital
     
    Wieder in London sperrte er noch am selben Tag das Haus in Chiswick ab und zog in Annas Wohnung.
    Viel brachte er nicht mit, was ein Glück war, denn Dinge

Weitere Kostenlose Bücher