Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Licht vom anderen Ufer

Licht vom anderen Ufer

Titel: Licht vom anderen Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Ernst
Vom Netzwerk:
Gefühl. Dieses Lied aus den Lüften war für ihn keine Melodie des Schreckens, sondern der brummende Singsang nahender Freiheit.
    Ja, da kamen sie wieder, vom Süden her über die Berge ziehend. Zwanzig – sechzig – hundert Viermotorige. Silbern flimmerten sie in der Sonne. Das gewaltige Lied der Motoren kam als Echo aus den Wäldern. Wie eine Schar Kraniche zogen sie unter der Sonne hin, wie zur Parade ausgerichtet, eine herrliche Armada im unschuldsvollen Blau des Frühlingshimmels. Wie Kettenhunde schossen blitzschnelle Jäger schutzgebend um die Luftflotte herum. Aber sie brauchten gar kernen Schutz, denn es war keine Abwehr mehr da.
    Der Rauscher brachte sein Gespann in den Schutz der Erlenstauden am anderen Ende des Ackers. Mit gefurchten Brauen starrte er in die Höhe. Die Pferde hatten die Ohren gespitzt und standen mit geblähten Nüstern da. Natascha drückte sich ängstlich unter die Sämaschine, als ob die etwas Schutz gewährt hätte, wenn einer von den Jägern ausgeschert wäre und mehr zum Spaß als in berechtigter Abwehr seine Gurte leergeschossen hätte auf das, was sich da unten furchtsam an die Erde duckte.
    »Dummes Gansl«, lächelte der Rauscher gutmütig. »Die tun uns nichts.«
    Dann öffnete er den Deckel der Sämaschine und sah nach, ob der Hafer noch mal für eine Feldbreite ausreiche. Die feindlichen Flieger zogen jetzt gerade über das Dorf Blockstein. Aber auch Blockstein mit seinen knapp fünfhundert Einwohnern war wohl kein lohnendes Ziel. Sie zogen majestätisch weiter. Aber gnade Gott denen, die es heute traf.
    Seufzend griff der Bauer nach den Zügeln. Auf der Gegenseite zog Jean mit dem Ochsengespann vorüber. Seine Arme rissen die Egge hin und her und in seinem schmalen Gesicht lag etwas wie heimliche Freude oder stille Genugtuung, wenn nicht gar eine heiße Freude. Es war diesen Deutschen zu gönnen, dass sie nun am eigenen Leib zu spüren bekamen, was sie so vielen angetan hatten. Nicht dieser Bauer mit seinem grauen Haar. Nein, dieser Mann war gerecht. Nie hatten Jean und André oder Natascha in seinem Haus zu spüren bekommen, dass sie Fremde waren. Der Grundhofer und auch die Bäuerin boten allen Widerlichkeiten die Stirn. Es war zum Beispiel verboten, dass die ausländischen Arbeitskräfte im gleichen Raum oder gar am gleichen Tisch essen durften. Der Rauscher hatte schon am ersten Tag diesem Verbot getrotzt. Wer bei ihm arbeitete, sollte auch als Mensch behandelt werden. Diese Meinung vertrat er ganz offen und unverblümt. Daran hatte auch der etwas draufgängerische Wachtmeister Federl nichts ändern können, der ihn deswegen einmal gemeldet hatte.
    Der Rauscher hatte eine scharfe Verwarnung bekommen mit der Drohung, dass man ihm andernfalls die ausländischen Arbeitskräfte entziehen werde.
    »Gut«, hatte der Rauscher darauf geantwortet. »Dann lasse ich eben meine Felder brach liegen. Ist das dann besser?«
    Nein, das war nicht besser. Das sah man ein. Überdies war der Wachtmeister Federl nach vier Jahren Krieg nicht mehr so draufgängerisch und ließ sich von seiner Frau sagen, dass er gefälligst selber zusehen sollte, wie er mit den Marken etwas Ordentliches auf den Tisch brächte, wenn er sich’s mit den Bauern verdürbe.
    Der Bergacker war jetzt bestellt. Jean lud den Rest Hafer, der noch übrig geblieben war, auf den Wagen und spannte die Ochsen davor. Der Rauscher fuhr mit der Sämaschine voraus und sie waren noch nicht ganz bis zum Hof gekommen, da ging es los.
    Unsichtbare Wellen ließen alles vibrieren und die Fenster klirren. Die große Stadt war wohl weit weg, aber das Flügelrauschen des Todes wehte bis in dieses entfernte Tal hinein. Die Flak schoss wild und aufgeregt in das dumpfe Gepolter der Bombendetonationen.
    Nach einer halben Stunde war alles vorüber. Es war auf einmal ganz still, bis das singende Brummen wieder näher kam. Der Bomberstrom flutete nun südwärts, und weil den Kettenhunden kein anderes Ziel angeboten worden war, machten sie sich einen Spaß daraus und schwenkten auf dem Rückflug von der Bomberflotte ab und schossen herzhaft auf alles, was sie da unten auf der Erde beweglich fanden. Jean kam mit seinen Ochsen gerade noch rechtzeitig unter die schützenden Baumkronen, als hinter ihm ein paar Fontänen aufspritzten. Ja, mit der gleichen Souveränität, wie sie gekommen waren, zogen die Bomber wieder zurück. Waren es nicht mehr so viele? Fehlten nicht einige?
    Da – inmitten des silbernen Geflimmers ein langer, weißer

Weitere Kostenlose Bücher