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Licht vom anderen Ufer

Licht vom anderen Ufer

Titel: Licht vom anderen Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Ernst
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soll denn ich mit dir sonst anfangen?«
    »Ja, was sollst du mit mir anfangen«, sprach er nach, fast ohne dabei die Lippen zu bewegen. »Es wäre ja auch absurd, zu glauben, dass es in diesem Land Humanität gäbe. Warum solltest du mich schonen?«
    »Weil ich gerade bedenke, dass du so jung sein magst wie mein Bruder Matthias.«
    Da begegneten sich ihre Augen zum ersten Mal. Ruhig und still gingen ihre Blicke ineinander und der fremde Flieger erkannte, dass kein Hass in ihren Augen war. Das wunderte ihn ein wenig, denn es war auch ihm eingepredigt worden, dass man in diesem Land nur abgrundtiefem Hass begegnen könnte und dass Güte ausgestorben sei. Das Mädchen aber sah ihn an mit offener Neugierde. Kinder zweier Völker, die nur Schlechtes voneinander denken konnten, weil man es sie so gelehrt hatte.
    Nun suchte er mit der rechten Hand in der tiefen Seitentasche seines Anzuges nach einer Zigarette und schob sie zwischen die Lippen. Aber er konnte sie nicht anzünden, weil er den linken Arm plötzlich nicht mehr heben konnte.
    »Gib mir Feuer«, bat er.
    Anna nahm ihm die Streichholzschachtel aus der Hand und riss ein Zündholz an.
    Gierig zog er die ersten Züge ein und brauchte nicht zu husten, was ihm die Gewissheit gab, dass wenigstens die Lunge nicht verletzt war. Dann sah er den blauen Wölkchen nach, die langsam aufstiegen und davonwanderten. Die grauen Wolken überzogen nun schon weit über die Hälfte des blauen Himmels. Wenn es am Morgen schon so überzogen gewesen wäre, wären die Flieger nicht gekommen, überlegte Anna. Dann säße sie jetzt nicht hier neben dem fremden Soldaten, mit dem sie nichts anzufangen wusste. Hätte er nicht weiter entfernt niedergehen können? Im Dorf unten vielleicht oder auf einer anderen Alm?
    Es hatte keinen Sinn, sich den Kopf darüber zu zerbrechen. Das Schicksal musste es so gewollt haben.
    Sie sah wieder auf ihn nieder. Seine Stirn war umwölkt und wahrscheinlich dachte er jetzt über sein weiteres Schicksal nach.
    »Was geschieht nun mit mir?«, fragt er.
    Sie zuckte mit den Schultern. »Ich – weiß es nicht.«
    »Am besten wäre es, wenn du den nächsten Fliegerhorst anrufen könntest, bevor andere kommen und das vollbringen, was du nicht tun kannst. Ein deutscher Fliegerhorst wäre immer noch das Sicherste für mich.«
    »Hier gibt es kein Telefon.«
    »Wenn wir wenigstens noch über die Berge gekommen wären«, sprach er weiter. Seine Stimme war ganz leise und ohne Kraft. Auf einmal ließ er die Zigarette fallen. Sein schmales Gesicht wurde noch gelber. Er musste doch sehr viel Blut verloren haben.
    Anna aber saß schon ein paar Minuten in lauernder Gespanntheit da. Ihr scharfes Ohr hatte aus der Tiefe verworrene Stimmen vernommen. In ihrem Innern stritten für eine Weile noch mal die Gefühle… Sollte sie ihn denen, die ihn wohl schon suchten, überlassen, oder sollte sie ihn verbergen? Anna Rauscher wurde in diesem Augenblick von etwas erfasst und der Verstand setzte vor dem Sturm innerer Gefühle beinahe aus. Alles verwirrte sich und sie konnte keinen Ausweg erkennen.
    In dieser Minute wendete das Schicksal ein Blatt im Lebensbuch der Anna Rauscher.
    Sie griff dem fremden Soldaten unter die Achsel und half ihm, dass er auf die Füße kam. Kalte Entschlossenheit war über sie gekommen und es war genauso, als ob jemand ihr den Auftrag gegeben hätte, so und nicht anders zu handeln. »Komm, wir müssen fort von hier.«
    Einen Augenblick taumelte der Mann. Dann schien er zu begreifen und deutete ihr an, sie möge die Karabinerhaken lösen, weil man ja den Fallschirm nicht hinter sich erziehen könne.
    Mit fiebernden Händen arbeitete sie jetzt, knüllte die Seide mit den Schnüren zusammen und fasste mit der anderen Hand den Mann unter. Zuerst gab er sich Mühe, mit ihr Schritt zu halten und glaubte sogar, auf ihren stützenden Arm verzichten zu können. Aber dann stürzte die Schwäche über ihn, er konnte nur noch unbeholfen stolpern, so dass Anna noch fester zugreifen musste. So brachte sie ihn mühsam bis zur Hütte hinunter. Dort brach er ihr unter den Händen einfach zusammen. Wie ein Sack sank er in die Knie und Anna musste ihn auf die Arme nehmen und wie ein Kind über die Schwelle tragen.
    Ohne noch lange zu überlegen, trug sie ihn die drei Holzstufen hinauf und brachte ihn in die kleine Kammer, die eigentlich ihr selbst zum Schlafen diente. Dort legte sie ihn auf das Bett und stieß den Fallschirm mit dem Fuß unter die Bettstelle.
    Ein Blick aus dem

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