Licht
beißend auf ihren Kopf sprang. Von diesem Tag an warfen wir ihm die Bananen auf den Balkon. Der Affe hockte auf einem kaputten Eisschrank und sah uns mit starren, schwarzen Augen an.
Wie macht sie das – die unbefangenen Blicke, ihre entwaffnende Heiterkeit. Wie bringt sie es fertig, so ausgeglichen zu erscheinen. Sie ist nicht skrupellos und sie ist nicht kalt. Mit ihrer Arbeit hat der Brief nichts zu tun, ich kann mich selber auch nicht davon überzeugen, daß er aus einer früheren Beziehung stammt. Es ist die Handschrift der letzten Jahre. Und der Gedanke, es handle sich um einen Entwurf, vielleicht um einen Brief, der nie abgeschickt wurde, hat nichts Erleichterndes. Wie viele Briefe dieser Art hat Dole geschrieben, und an wen. Kann es sich um eine Erfindung handeln, etwa um einen Menschen, den sie träumt? Handelt es sich um ein Leben, das Dole sich vorstellt, aus einem Mangel oder Verzicht heraus, der mir verborgen geblieben ist?
Der Brief existiert, und ist eine Nachricht von so niederschmetternder Fülle, daß ich mir auch nicht einreden kann, es handle sich um einen vorübergehenden Fall. Es gibt hier kein Irgendwie oder Irgendwann. Diese Lebendigkeit ist ein ganzes Leben. Und als wir nach Tagen zum ersten Mal wieder Zeitung lasen im Café an der Küstenstraße – einen Satz wie diesen erfindet man nicht. Dole kann den Satz nicht erfunden haben, sie ist im Café an der Küstenstraße gewesen; nichts in diesem Brief kann erfunden sein. Sie ist Journalistin und erfindet nichts. Ihre Phantasie äußert sich beiläufig, unter vier Augen oder aus Übermut, am überzeugendsten ohne Anlaß. Das sind die Billette morgens auf meinem Tisch, das sind die circensischen Zettel, die mir im Flugzeug aus der Tasche fallen (Warum bist Du nicht zu mir gekommen? Wollten wir nicht zusammen Wein trinken gehn? Ich lade Dich ein in meine Wohnung, heute abend oder in sieben Jahren. Wirst Du kommen? Licht und Geheimnis!). Sie braucht, um mit Charme und Phantasie zu schreiben, einen trauten Menschen, an den sie sich wendet. Ihr entspricht der spontane Brief. Dieser Brief kann nicht erfunden sein.
Und wie Du naß zu mir in das Bett zurückgekommen bist.
Ich bin heute abend allein. Dole ist zu Leuten gefahren, die sie während des Sommers im Ort kennengelernt hat, Ärzte und Rechtsanwälte aus der Provinz. Die Sommergäste sind abgereist, die Bungalows stehn leer und die Ratten am Müllplatz werden dünn und bissig. Regennacht, in der Garage brennt Licht, das Wasser klatscht vom Dach auf die Terrasse. Das könnte wie früher Ruhe für mich bedeuten, Selbstvergessenheit in einem leichten Weinrausch, Beschäftigung mit Artikeln und Fotografien, Konzentration – jetzt bedeutet es nichts. Es heißt, daß ich zuviel Zeit für mich habe, da schleifen die Hirngespinste durch den Kopf. Das Glück, mein Freund, ist ein alter Hut, aber ein Überlebender der Freude zu sein, ist erst der Anfang einer neuen Erfahrung. Höhle des Atems, Ort der Entscheidung, kleines Kythera der Verständigung, großes Gelächter. Mal ist es das Loch im Universum, mal ist es das Loch zwischen den Beinen. Mal ist es der Witz mit der Fliege, mal ist es der Witz mit der Klatsche. Kurtisane von Babylon! Schlaflosigkeit. Die Unbekannte ihrer selbst verschloß die Tür, warf den Schlüssel aus dem Fenster und verharrte unbeweglich auf ihrem Bett.
It is a dognight dognight dognight.
Ich sah ihr heute abend beim Ankleiden zu. Es gefällt ihr, wenn ich dazukomme und von der Türe aus Komplimente mache (Komplimente, sagt sie, sind nur erträglich, wenn sie frivol und ziemlich fragwürdig sind). Ich sah ihre Nacktheit im Profil, die Brüste unter den Armen, als sie sich kämmte. Ich ging nicht zu ihr. Sie schminkte sich und legte Lidschatten auf, das tut sie selten. Ich fragte sie, für wen sie sich so ungewöhnlich sorgfältig zurechtmache.
Ihre Antwort: Komm doch mit auf die Party, dann wirst du es sehn.
Sonst sagte sie nichts, ein schnelles Lächeln, das Spiel ist alt.
Sie war überzeugt, ich spiele das alte Spiel.
Wir sind Journalisten. Der gleiche Beruf bedeutet Übereinstimmung noch in den Nebensachen, aber es bedeutet auch, daß wir oft und lange getrennt sind. Was ihre eigene Zeit betrifft, ist es denkbar, daß sie ein zweites Leben führt. Sie ist oft wochenlang allein unterwegs. Ihre Reportagen in Mailand, London und München, ihre Recherchen in Brüssel und die nächtlichen Telefonanrufe aus einem Hotel müssen nicht unbedingt glaubwürdig sein. Es ist
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