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Lichthaus Kaltgestellt

Lichthaus Kaltgestellt

Titel: Lichthaus Kaltgestellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Walz
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vergilbten Pastellton, der aber gut zu den mittelalterlichen Motiven passte.
    Hermann erzählte viel zu den Kampfszenen und den abgebildeten Personen, doch Lichthaus hörte nur mit halbem Ohr zu. Er suchte nach Jungen oder Jugendlichen, doch zeigten die Aufnahmen seitenlang nur Erwachsene.
    »Hier«, Hermann deutete plötzlich auf ein Foto. »Das ist einer von ihnen. Thomas, nein Michael, hieß der. War ziemlich in Mode der Name. Der ist aber fort von hier.«
    »Der Nachname?«
    »Helmut Heinen war sein Vater. Der wohnt noch unten in Irsch.«
    Er blätterte weiter und deutete auf ein anderes Bild.
    »Hier, das ist Andreas Diel. Die beiden waren unzertrennlich. Andreas war eher verschlossen. Michael hat immer das große Wort geführt. Wo Andreas ist, kann ich nicht sagen.«
    Lichthaus war alarmiert. Eine Chance. »Wer waren seine Eltern?«
    »Der Mann hieß Heinrich oder Friedrich, war bei der Post oder der Bahn. Auf alle Fälle Beamter. Der Alte war ganz in Ordnung. Nach ein oder zwei Jahren wurden aber seiner Frau unsere Treffen und Aktivitäten zu viel. Ich glaube, wegen ihr sind er und Andreas dann auch irgendwann weggeblieben. Die wohnten in Pellingen oben.« Hermann wirkte entspannt, auch wenn sein Blick oft traurig an seinem früheren Ich kleben blieb. Ein junger Mann, der auf den Bildern breit lachte und froh nach vorne schaute.
    Lichthaus musste weg. Raus hier. Dieser Andreas Diel passte gut ins Profil, und er wollte wenn möglich noch etwas über ihn herausfinden, bevor Sophie Erdmann und Steinrausch bei ihm auftauchen würden. Doch Hermann blätterte weiter, ließ ihn nicht los, zeigte auf eine Gruppenaufnahme: »Hier sind die Mütter drauf, neben den beiden Jungs.«
    »Wer ist das?« Lichthaus’ Blick war auf einen großen Mann gefallen, der nicht zur Gruppe passte. Er stand einen halben Schritt von den anderen entfernt, so als ob er sich absichtlich distanzieren wollte.
    »Ein blöder Arsch, entschuldigen Sie bitte meine Sprache, eine dumme Angewohnheit. Wir haben ihn nur Adolf genannt.«
    »Wieso?«
    »Er war irgendwie rechts. Kloppte immer nur Sprüche gegen Emanzipation, die Linken, die faulen Studenten und so weiter. Im Sommer siebenundsiebzig, als die ganze RAF-Schei … äh Sache ablief, wollte er uns politisieren. Wir sollten eine Demonstration für die Inhaftierten in Stammheim aufmischen. Ich weiß noch genau, was er sagte: Diesen emanzipierten Weibern und ihren degenerierten Weicheiern muss man mal sagen, wo’s langgeht. Wir haben gelacht, und da ist er kolossal wütend geworden. Hat herumgebrüllt und uns als Sandkastenkacker beschimpft, die albern herumspielten, während die Linken und die ganzen Weiber und die Juden und wer sonst noch den aufrechten Bürgern die Freiheit nähmen. Irgendwann hat einer von uns ihn am Kragen gepackt und mit einem emanzipierten Tritt in den Hintern rausgeworfen.« Er zögerte. »Warten Sie, jetzt fällt’s mir ein, anfangs hatte er oft einen kleinen Knirps dabei. Der Junge war ein paar Jahre jünger als wir. Ich erinnere mich noch gut an ihn, da er schon eine kleine Rüstung hatte. Plastik nur, sah aber klasse aus. Ich war echt neidisch. Der war richtig ernsthaft bei der Sache. Damit war’s vorbei, als seine Eltern sich trennten.«
    »Was ist aus ihm geworden?«
    »Keine Ahnung. Wir haben ihn nicht mehr wiedergesehen.«
    Lichthaus rang kurz mit sich, ob er der schwachen Spur überhaupt nachgehen sollte, entschied sich dann aber dafür. »Wer könnte seinen Namen kennen?«
    »Lothar hat ihn mitgebracht. Das weiß ich genau. Ich kann Ihnen den Namen besorgen.«
    »Das wäre gut. Haben Sie noch meine Karte? Da steht meine Handynummer drauf. Unter der erreichen Sie mich immer.«
    Hermann erzählte eine Weile weiter, sie lachten hier und da, dann brach Lichthaus auf. An der Tür schaute er Hermann offen an und gab ihm lächelnd die Hand. »Vielleicht haben Sie uns weitergeholfen.«
    »War ganz nett, mit Ihnen zu reden«, mühsam überwand Hermann sich. »Wenn Sie wollen, können Sie gerne wiederkommen. Dann räume ich sogar auf.« Hoffnung glomm in seinem Blick. Raus aus der Isolation.
    »Sobald der Fall abgeschlossen ist. Gerne.« Claudia wäre stolz auf ihn gewesen.
    *

Sie saßen auf der Terrasse und aßen. Sophie Erdmann und Steinrausch waren erst um neun Uhr am Abend losgekommen und hatten sich auf dem Weg nach Eitelsbach bei einem thailändischen Imbiss versorgt. Die beiden waren vom Stress der vergangenen Tage gezeichnet und kauten langsam, während sie das

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