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Lichthaus Kaltgestellt

Lichthaus Kaltgestellt

Titel: Lichthaus Kaltgestellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Walz
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»kommen mal mit.«
    Er setzte sich an einen Tisch am anderen Ende des Gastraums und wies dem Mann einen Platz ihm gegenüber zu. Er stank ungewaschen.
    »Was können Sie mir denn sagen?« Lichthaus kehrte den strengen Wachtmeister heraus. »Oder hat Ihr Kumpel da Recht? Ich warne Sie. Falschaussagen sind strafbar.«
    »Der ist nicht mein Kumpel.«
    »Wie ist Ihr Name?«
    »Hubert Singer. Aus Paschel. War Bauarbeiter. Kann aber nicht mehr arbeiten. Wegen dem Scheißrücken. Frührentner, nicht so ein Faulenzer wie der da. Der hat doch noch nie was gearbeitet.« Er ruckte abfällig mit dem Kopf in Richtung des anderen.
    »Das ist jetzt egal. Was wollten Sie mir erzählen?«
    Der Wirt brachte wortlos das Bier und zog sich wieder hinter seine Theke zurück. Singer trank einen großen Schluck.
    »Eigentlich stamme ich aus Vierherrenborn. Gleich hier den Berg rauf. Meine Familie ist 1953 hierher gekommen. Vertriebene waren sie. Hatten, bis die Russen kamen, einen Hof bei Danzig. Mein Vater hat oben gerodet und einen neuen Hof gegründet. War so ein Projekt von den Nazis, das man fortgeführt hat. Den hat jetzt mein älterer Bruder.«
    »Wie alt sind Sie?«
    »Neunundvierzig. Bin schon in dieser Gegend geboren.« Singer starrte einen Augenblick ins Leere, als suchte er nach dem Faden, um das Gespräch wieder aufzunehmen.
    »Ich kenne da einen Uli in Vierherrenborn. Die Mutter hatte oben auch einen Hof.« Er trank wieder. »Die waren auch seit Anfang der fünfziger Jahre hier. Muss ein Klasseweib gewesen sein.
    Hat dann aber so einen Idioten geheiratet und den ein paar Jahre drauf weggejagt.«
    »Kennen Sie seinen Name?«
    »Nee, der Kerl war nur selten hier. Ich kann mich kaum erinnern.«
    »Was ist mit diesem Uli?«
    »Mein jüngster Bruder war mit dem in einer Klasse. Der müsste jetzt so um die vierzig sein. Die Jungs haben den dauernd verarscht, weil der so komisch war. Irgendetwas mit den Haaren. Frosch-Häns haben sie den gerufen. Hat die Viecher immer mit einem Strohhalm aufgeblasen, bis sie geplatzt sind. Merkwürdiger Typ.«
    Lichthaus wurde aufmerksam. »Was macht er heute?«
    »Wohnt immer noch da. Die Alte ist tot. Er zeigt sich eigentlich nie. Der arbeitet wohl unten in Trier. So genau weiß das keiner. Sein Hof liegt außerhalb. War einer der Ersten, die man errichtet hat.« Er rülpste leicht. »Fahren Sie hier neben dem Haus rauf. Nach ein oder zwei Kilometern kommt ein Hof, dann links ab und nach ein paar hundert Metern steht mitten in den Feldern ein Haus, mit Scheune und Stall. Das ist es.«
    »Ist er verheiratet?«
    »Keine Ahnung. Glaub aber kaum. So einen will keine haben.«
    »Gut, danke.«
    »War’s das schon?« Lichthaus nickte und stand auf. An der Theke bezahlte er die Biere und fuhr nach Vierherrenborn.
    *
    Das Haus lag am Rande von Neuhütten. Eigentlich am oberen Ende, denn der Ort war ein klassisches Straßendorf. Es war sehr ruhig hier. Ein paar Alte lehnten im Türrahmen und unterhielten sich über die Straße hinweg. Der Rest schien zur Arbeit zu sein. Woanders, denn Arbeit gab es allenfalls noch im Wald. Oberhalb der Hauptstraße lagen einige Neubauten. Groß und klotzig im Vergleich zu den geduckten Gebäuden, die die alte Straße säumten.
    Das Haus war unauffällig. Eineinhalb Stockwerke hoch, mit Satteldach, zeigte es grob verputzt mit schmutzigem Anstrich ins Tal rüber nach Züsch, dem großen Zwillingsdorf auf der anderen Talseite. Hinten, fast am Waldrand hatten die Besitzer einen kleinen Stall angebaut, aus dem aber schon lange kein Blöken mehr zu hören war. Alles lag völlig ruhig da, wie im Dornröschenschlaf.
    Das SEK kam von der gegenüberliegenden Straßenseite. Sie hatten sich den abfallenden Hang zunutze gemacht, um unbemerkt heranzukommen. Schwarze Gestalten mit Strumpfmasken und Maschinenpistolen, grotesk und völlig fehlplatziert, schlichen über die friedliche Weide. Sie sammelten sich und stürmten los. Zwei mit einem Rammbock vorne weg, dem die klapprige Haustür so wenig Widerstand bot, dass sie unter dem Ansturm regelrecht in den schmalen Flur flog. Wie eine Traube Ameisen drängten sie hinein. Von der Rückseite des Hauses war splitterndes Glas zu hören. Laut gebrüllte Befehle, dann war Ruhe.
    *

Lichthaus stellte das Fernglas ein und schaute hinüber zum Hof. Er hatte das Auto auf einem Feldweg hinter ein paar Haselnussbüschen abgestellt und war hier hoch auf die Kuppe geschlichen. Jetzt lag er neben einem kleinen Gehölz und beobachtete die Szenerie.

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