Lichthaus Kaltgestellt
meine Eltern zum Frühstück kommen?«
Er nickte und ging nach oben, um kalt zu duschen. Eine Viertelstunde später saßen sie im Auto und fuhren nach Trier.
In Leos Galerie lieferten sie die Bilder ab, die Claudia bereits am Nachmittag verpackt und in ihr Auto geladen hatte. Zu Lichthaus’ Überraschung hielt Leo sich an die Absprachen. Er hatte einen großen Raum für Claudias Bilder freigemacht, damit jedes für sich auf den Betrachter wirken konnte. Da Henriette wach, aber nicht hungrig war, kümmerte er sich um die Kleine. Seine Frau und der Galerist hängten derweil die Bilder in die gewünschte Reihenfolge. Wie immer nahm das viel Zeit in Anspruch. Claudia war in Bezug auf ihre Bilder unglaublich pingelig. Neben Gemälden fertigte sie mit Vorliebe Holzdrucke an. Lichthaus hatte dabei schon erlebt, wie sie einen fertigen Holzschnitt wütend wegwarf, da er an einer winzigen Stelle verschnitten war. Wie nicht anders zu erwarten, gerieten die beiden in Streit. Claudia drohte sogar, die Vernissage platzen zu lassen, wenn eines der Bilder nicht ein bisschen höher gehängt würde. Lichthaus konnte den Starrsinn seiner Frau in solchen Augenblicken nicht verstehen und verdrückte sich nach draußen.
Als er in die Galerie zurückkam, hatten sich die Gemüter beruhigt. Die Bilder hingen an ihrem Platz und auch der Ablauf der Vernissage schien geklärt zu sein. Der Trierische Volksfreund würde sogar eine Kulturreporterin schicken.
Später aßen sie auf dem Kornmarkt einen Salat. Die Restaurants am Platz waren bis auf den letzten Stuhl besetzt. Ein Summen umgab sie wie in einem Bienenstock.
»Was ist eigentlich mit Eva Schneider?«, begann Claudia.
Lichthaus seufzte. »Nichts. Wir haben das gesamte Umfeld durchleuchtet und drehen jeden Stein um, haben aber keine konkrete Spur gefunden. Auch auf den Zeitungsartikel hat bisher niemand reagiert.«
»Und wie geht es jetzt weiter?«
»Wir suchen weiter die Mosel ab, und Steinrausch wertet Überwachungskameras aus, die etwas aufgezeichnet haben könnten. Bisher gab es von ihr keine Kontenbewegung, keine Mail. Sie ist verschwunden. Uns bleibt nur abzuwarten und zu hoffen, dass …«
»… ihr eine Leiche habt«, beendete sie seinen Satz.
»… sie vielleicht wieder auftaucht«, wich er aus.
Claudia verdrehte die Augen. »Wo soll sie denn herkommen, wenn selbst ihr sie nicht finden könnt?«
Lichthaus zuckte mit den Schultern. »Was wir brauchen, sind neue Anhaltspunkte. Wir stecken nicht in einer Sackgasse, sondern stehen orientierungslos im Nebel.«
»Du meinst, du brauchst ihre Leiche?«
»Ja, auch das«, gab er resigniert nach.
»Du rechnest also doch mit so was?«
»Seit heute ja. Sie ist bis zur Glockenstraße gegangen und hatte allem Anschein nach vor jemandem Angst. Durchgebrannt ist sie nicht, da bin ich mir eigentlich sicher, und einen Unfall hätte man uns gemeldet. Was also sonst? Außerdem können wir nicht nachvollziehen, wieso sie mit dem Rad losfährt und dann zu Fuß unterwegs ist. Was ist da geschehen?«
Claudia wusste keine Antwort und schaute ihn ratlos an.
Sie wechselten das Thema, um sich die Stimmung nicht zu verderben, und brachen erst dann auf, als unvermittelt ein Gewitter losbrach.
In dieser Nacht lag Lichthaus lange wach, nachdem ihn ein Donnerschlag geweckt hatte. Irgendwann stand er auf und schaute im Kinderzimmer nach Henriette. Dann ging er in sein Arbeitszimmer. Es war winzig, mit Dachschräge und kleinem Flächenfenster. Platz war nur für seinen Schreibtisch und den Computer. Leise öffnete er das Fenster einen Spaltbreit und ließ die frische Gewitterluft hinein. Sie roch würzig, und er genoss die Abkühlung. Regen setzte ein und rauschte mit beruhigender Gleichmäßigkeit das Dach hinunter. Gelangweilt blätterte er alte Zeitschriften durch, als ihm das Gespräch mit Ley durch den Kopf ging. Der Mann im Mantel war die Simeonstraße entlanggelaufen. Sie mussten also auch bis zur Porta Nigra nach Kameras suchen. Irgendwann legte er sich wieder ins Bett und lauschte dem ruhigen Atem seiner Frau. Es dauerte lange, bis er endlich einschlief.
*
Der Donnerstag verlief ohne große Fortschritte.
Am Freitag gab es neue Erkenntnisse, die aber ihre Verwirrung noch vergrößerte. Evas Fahrrad tauchte auf. Es war bereits am Montag vom Ordnungsamt sichergestellt worden. Der Ort, an dem man es gefunden hatte, gab ihnen aber ein Rätsel auf. Es hatte, betrachtete man den Weg von Oliver Hettmann zu Schneiders Haus, noch hinter Leys
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