Lichthaus Kaltgestellt
Besprechungszimmer kam, um Lichthaus ans Telefon zu rufen. Er bat sie, das Gespräch durchzustellen, und ging über den stickigen Flur in sein ebenfalls aufgeheiztes Büro.
»Hallo, Johannes. Du wolltest einen ersten Eindruck.«
»Hallo, Stefan.« Güttler würde sie hoffentlich weiterbringen, und er lauschte ihm aufmerksam, während er lauwarmen Sprudel aus der Flasche trank.
»Als Erstes: Wir haben gerade die Fingerabdrücke mit denen verglichen, die Marx aus dem Zimmer von Eva Schneider mitgebracht hat. Sie stimmen überein.«
»Okay. Was noch?«
»Ihr jagt da einen äußerst brutalen Täter. Das Mädchen scheint massiv gefoltert und vergewaltigt worden zu sein. Gestorben ist sie wohl in der Nacht auf Mittwoch. Details dann in meinem Bericht.«
»Danke für die Infos. Bist du um sieben fertig?«
»Nein, ich werde aber trotzdem zu Claudias Vernissage kommen, wenn du das meinst.«
»Auch.« Lichthaus musste grinsen. »Es ging mir eher um den Bericht.«
»Das Schriftliche bekommst du morgen, aber du kannst gegen sechs schon mal vorbeikommen, dann zeige ich dir alles.«
»In Ordnung. Ich bestelle die Eltern zur Identifizierung. Richtet sie ein bisschen her.«
»Machen wir. Bis später.«
Lichthaus blieb noch einen Augenblick sitzen. Sie jagten also einen Sexualverbrecher übelster Sorte. Es war für ihn nicht das erste Mal. Vor fünf Jahren hatte er in der Pfalz einen ähnlich gelagerten Fall gehabt, der bis heute ungelöst war. Der Täter hatte das Opfer vergewaltigt und dann auf einer Müllkippe entsorgt. Die Tote, eine 47-jährige Frau, war alleinstehend und erst kurze Zeit vor Ort gewesen, so dass eigentlich niemand sie und ihre Gewohnheiten kannte. Das letzte Lebenszeichen war ein Telefonat mit ihrem Bruder in Würzburg, das sie vor ihrem Tod geführt hatte. Ein Kellner hatte sie am selben Abend allein in einem Lokal sitzen sehen, dann verlor sich ihre Spur. Weder der Fundort, noch die Leiche selbst ergaben verwertbare Hinweise, so dass sie die Akte irgendwann ergebnislos schließen müssten. Die Erinnerung an den Fall schmerzte Lichthaus. Er war entsetzt gewesen über die Leere im Leben des Opfers. Neben der Arbeit gab es keine Beziehungen, nur das große Alleinsein. Seitdem fielen ihm immer wieder Menschen auf, die inmitten hundert anderer allein waren, wie Verdurstende, die im Wasser schwammen. Selbst im Tod war sie einsam geblieben. Wen kümmerte es, dass sie den Mörder der Frau nicht fassen konnten? Er hoffte, dass er im Fall Eva Schneider weiterkommen würde. Was ihn jetzt quälte, war die Vorstellung, zu den Schneiders gehen und ihnen die Nachricht überbringen zu müssen.
Er ging zurück in den Besprechungsraum. Die Neuigkeiten überraschten die Kollegen nicht, und trotzdem stellte sich ein Augenblick der Betroffenheit ein.
»Ich will von zwei Seiten vorgehen«, nahm Lichthaus den Faden wieder auf. »Einmal die bekannten Gewaltverbrecher durchleuchten und auf mögliche Kontakte zu Eva Schneider hin abklopfen.«
»Glauben Sie, das macht Sinn?« Müller schaute zweifelnd.
»Ohne Frage, wir müssen einfach alles in Betracht ziehen. Und zum zweiten, die Akten aller einschlägig Vorbestraften prüfen. Thomas, lass die bitte kommen und fang schon einmal mit der Durchsicht an. Wir werden morgen nach den endgültigen Berichten von Spleeth und Güttler eine erste vorsichtige Fallanalyse versuchen. Frau Erdmann, Sie begleiten mich gleich zur Familie Schneider.«
Die Kollegin blies die Backen auf. »Darin bin ich nicht besonders gut.«
»Das ist niemand.« Müller schaute sie offen an. »Es ist wichtig, dass eine Frau mitgeht.« Sophie Erdmann wagte nicht zu widersprechen. Lichthaus beendete die Besprechung und alle erhoben sich, als Müller nachsetzte: »Die Presse sitzt uns schon im Nacken, und wenn die Fakten bekannt werden, wird sich der Druck noch steigern. Wir brauchen Ergebnisse!«
Die Kollegen nickten, verdrehten im Hinausgehen aber die Augen.
*
Auf dem Weg zu Schneiders riss Sophie Erdmann Lichthaus aus seinen Gedanken. »Haben Sie das schon oft gemacht?«
»Was?«
»Den Angehörigen die Todesnachricht gebracht?«
»Ja, aber nicht so wie heute, da ich die Familie auch privat ein wenig kenne. Das fällt schwer.«
Sophie Erdmann fuhr fort. »Ich war erst einmal bei einem Junkie dabei und da war klar, dass die Verwandten froh waren. Sie zeigten das ganz offen. Wenn nichts mehr hilft, dann ist der Tod das Beste, sagte der Vater.«
Lichthaus schüttelte den Kopf. »Marianne Schneider
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