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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
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auch nicht, wenn sie zu seiner Familie gehörten; er musste sich freuen, allein zu sein. Er wusste jetzt, dass Mary irgendwo von den Mächten der Finsternis festgehalten wurde. Nur er hatte die Möglichkeit, sie zu befreien.
    Er stand im treibenden Regen und schaute sich um. Es wurde jetzt zusehends dunkler. Will löste seinen Gürtel und wickelte ihn um das rechte Handgelenk. Dann sagte er ein Wort in der Alten Sprache und hob den Arm. Von den Zeichen ging ein ruhiger, breiter Lichtstrahl aus. Er fiel auf gekräuseltes braunes Wasser, das dort, wo die Straße gewesen war, einen immer tiefer und reißender werdenden Bach bildete.
    Er erinnerte sich an etwas, das Merriman vor langer Zeit gesagt hatte: dass die Macht der Finsternis in der Zwölften Nacht ihren gefährlichsten Höhepunkt erreichte. War heute die Zwölfte Nacht? Er hatte vergessen die Tage zu zählen, in seinem Bewusstsein war einer unbemerkt in den anderen übergegangen.
    Während er dastand und nachdachte, merkte er plötzlich, dass das Wasser die Sohlen seiner Stiefel umspülte. Hastig sprang er auf die Schneeböschung am Rande des Wäldchens und eine braune Woge riss ein großes Stück des Schneehügels, auf dem er eben gestanden hatte, weg. Im Licht der Zeichen sah Will, dass noch mehr schmutzige Schneebrocken und Eisschollen auf dem Wasser tanzten; es untergrub die Schneewände, die der Schneepflug zu beiden Seiten aufgetürmt hatte, und trug sie in Schollen, die aussahen wie kleine Eisberge, davon.
    Noch andere Dinge trieben im Wasser. Er sah einen Eimer vorübertanzen und etwas Lockeres, das aussah wie ein Heubündel. Das Wasser war hoch genug gestiegen, um Gegenstände aus den Gärten wegzuspülen — vielleicht auch aus ihrem eigenen. Wie konnte es so schnell steigen? Wie um eine Antwort zu geben, hämmerte der Regen auf seinen Rücken und unter seinen Füßen lösten sich Schneebrocken. Ihm fiel ein, dass der Boden unter dem Schnee durch die große Kälte gefroren sein musste, sodass der Regen nicht einsickern konnte. Der Boden würde viel länger zum Auftauen brauchen als der Schnee — und das Schneewasser musste über die harte Oberfläche ablaufen, bis es einen Bach oder Fluss fand. Es wird eine schreckliche Überschwemmung geben, dachte Will, schlimmer, als wir sie je erlebt haben. Es wird sogar noch schlimmer werden als der Frost ...
    Aber dann durchbrach ein Schrei das Gegurgel des Wassers und das Rauschen des Regens. Er stolperte über die aufgeweichten Schneehaufen. Wieder ertönte der Schrei. »Will! Hierher!«
    »Paul«, rief Will voller Hoffnung, aber er wusste, dass es nicht Pauls Stimme war.
    »Hier! Hier drüben!«
    Der Schrei kam aus dem Dunkel der strömenden Straße. Will hielt die Zeichen in die Höhe. Ihr Licht fiel über das strudelnde Wasser und er sah eine Art Dampfwolke. Dann sah er, dass es sich um Atemwolken handelte, große Atemwolken, die ein riesiges Pferd ausstieß, das breitbeinig im Wasser stand. Will sah den mächtigen Kopf, die lange, kastanienbraune Mähne, die durchnässt am Hals klebte, und er wusste, dies war entweder Castor oder Pollux, eines der beiden schweren Zugpferde von Dawsons Hof. Der Lichtstrahl, den die Zeichen aussandten, hob sich; er sah den alten George, der, in schwarze Ölhaut verpackt, oben auf dem Rücken des schweren Pferdes hockte.
    »Hierher, Will. Geh durchs Wasser, bevor es zu hoch steigt. Wir müssen ans Werk. Komm!«
    Er hatte den alten George nie im Befehlston sprechen hören; dies war der Uralte, nicht der sanftmütige Stallknecht. Der alte Mann beugte sich auf den Pferderücken und trieb es weiter durchs Wasser. »Komm schon, Polly, vorwärts, Herr Pollux.« Und der schwere Pollux stieß Dampfwolken aus den breiten Nüstern und tat ein paar feste Schritte nach vorn, sodass Will es wagte, in die überflutete Straße zu waten und eins der baumartigen Beine zu fassen. Das Wasser ging ihm fast bis an die Hüften, aber er war schon so nass, dass es keinen Unterschied mehr machte. Das große Pferd trug keinen Sattel, nur eine nasse Decke, aber der alte George beugte sich mit erstaunlicher Kraft herunter, packte ihn bei der Hand und mit viel Zerren und Strampeln landete Will schließlich auf dem Pferderücken. Während er sich drehte und wand, hatte der Lichtstrahl nicht geschwankt, er blieb fest auf den Weg gerichtet, den sie nehmen mussten.
    Will rutschte auf dem breiten Rücken hin und her, er war zu breit, als dass seine Beine einen Halt hätten finden können. George schob ihn

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