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Lichtjahre

Lichtjahre

Titel: Lichtjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Salter
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unserem Verleih; er ist noch nicht in den Kinos.«
    »Kennst du Eve Caunt?« sagte Viri.
    »Eve? Natürlich kenn ich Eve. Jeder kennt Eve.« Seine Augen waren blaß wie ein Glas Wasser. Sein Blick war sengend. »Die Hälfte der Leute hier kenn ich gar nicht«, gestand er Viri. »Na ja, außer den Frauen; die Frauen kenn ich alle.« Er senkte die Stimme. »Ein paar von den Frauen hier sind ganz phantastisch, glaub mir.«
    Er nahm Viri am Arm und führte ihn fort. »Ich würde gern mit dir reden«, erklärte er. »Warte, da ist jemand, den du kennenlernen mußt.« Er griff nach einem entblößten Arm.
    »Das ist Faye Massey.«
    Der schlechte Teint eines Mädchens aus gutem Hause. Ein tief ausgeschnittenes Kleid, an dem der wäßrig starre Blick hängenblieb. Du siehst gut aus, Faye«, sagte er.
    »Ist der Film so schlecht, wie ich gehört habe?«
    »Schlecht? Der Film ist hinreißend.«
    »Da hab ich aber was anderes gehört«, sagte sie.
    »Faye ist eine sehr interessante Frau«, sagte deBeque und ließ seinen Blick wieder in ihren Ausschnitt gleiten. »Das meinen viele.«
    »Hör auf«, sagte sie.
    »Ich finde, dieser Abend gehört den Frauen«, sagte deBeque.
    »Was meinst du damit?«
    »Ihr seht alle so gut aus.«
    Hinter den beiden sah Viri eine junge Frau, die auf der Seitenlehne einer Couch saß.
    »Warum redest du immer in der Mehrzahl?«
    »Das ist bei Männern ganz natürlich.«
    »Was ist schon natürlich?« fragte sie. »Wir sind so weit davon entfernt, natürlich zu sein... das ist das Problem.«
    Viri wartete auf eine Gelegenheit, sich entschuldigen zu können. »Meinen Sie, daß Sie natürlich sind?« fragte sie ihn.
    »Das tun wir doch alle, oder nicht?« sagte er. »Mehr oder weniger.«
    »Denken Sie, was Sie wollen«, sagte sie. »Aber nennen Sie mir nur einen einzigen.«
    »Kennen Sie Arnaud Roth?«
    »Wen?« Auf einmal lächelte sie, ein warmes, unerwartetes Lächeln. »Arnaud. Richtig. Ich mag ihn sehr«, sagte sie.
    »Ich kenn ihn schon seit Jahren.«
    Die Frau, die einen überwältigt, darf nichts Vertrautes an sich haben. Faye erzählte eine Geschichte von Arnaud. Er hatte sich ein Flugzeug gekauft; es flog nicht, sagte sie, war das nicht typisch? Es war in der Nähe eines Teiches abgestellt. Das Mädchen auf der Couch war aufgestanden und redete mit jemandem. Viri versuchte, sie nicht anzustarren. Er war bei Gesellschaften wie diesen, bei denen die Gespräche schnell und zynisch waren und die Begegnungen so distanziert wie in der Tanzstunde, immer hilflos. Gewöhnlich fand er bei jemand Groteskem Zuflucht, jemandem, der außer Konkurrenz war. Er widerstand gutaussehenden Gesichtern, er hatte gelernt, sie nicht anzusehen, aber hier war dieses unbekannte Wesen, dem er blindlings verfiel, dünn, mit vollen Brüsten, als wären sie eine Bürde. Sogar ihre Daumen waren knochig. Er verlor sie aus den Augen. Er konnte sich ihr Leben nicht einen Moment lang vorstellen. Hätte sie ihn angesprochen, hätte er kein Wort herausgebracht oder schlimmer, unnützes Zeug geredet, das er sofort bereut hätte, und das Bild des lächerlichen Durchschnittsmannes abgegeben, der nur für das taugte, was er war: ein Berufspendler, ein Familienoberhaupt. Aber das bin ich nicht, wollte er sagen, das bin ich in Wirklichkeit nicht. Na ja, sie war sowieso verschwunden. Sie war natürlich die Freundin von jemandem; Frauen wie sie waren nie allein.
    »Wo warst du?« fragte Nedra.
    Sie tranken; sie aßen mit den Tellern auf den Knien. Ein Kellner schenkte Champagner nach. Jemand spielte Klavier, kaum hörbar bei dem Lärm. Gerald deBeque saß neben einer jungen Japanerin. Seine Frau, die wahnsinnige Kopfschmerzen hatte, begann den Leuten zu sagen, daß es Zeit sei, zum Film zu gehen.
    Sie fuhren in einem überfüllten Fahrstuhl hinunter und zogen in klirrender Kälte zu Fuß drei Blocks weiter zu einem Kino, halb gehend, halb laufend, standen schließlich im Eingang und warteten auf deBeque, der dem Aufseher dort sagen mußte, daß er sie einlassen sollte. Mehrere Leute hatten es auch so geschafft, hineinzukommen.
    »Mach schon, Viri«, drängte Nedra. »Sag ihm, daß wir von der Party kommen. «
    »Die andern warten doch auch.«
    »Ich hasse warten.«
    Sie sprach selbst mit dem Mann, als deBeque endlich auftauchte. »Gerald, dein Film ist schon halb vorbei«, sagte sie.
    »Laß sie rein«, rief er dem Aufseher zu. »Sie können alle rein.«
    Viri blieb ein wenig zurück. Er berührte deBeque am Ellbogen.
    »Gerald...«,

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