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Lichtjahreweit

Lichtjahreweit

Titel: Lichtjahreweit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
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keinen Unsinn«, wies ihn E.F. Langedanz zurecht, der Lange Dancer, wie man ihn früher genannt hatte, als er die Tausender aus der Hosentasche zog und Bier und Schampus für alle und sich die besten Weiber spendierte, ein Tycoon des Atomzeitalters, ein Enfant terrible der Bonner Schickeria, erst spät gereift zum Industriemagnaten und Aussperrer, gegen Ende der Neunziger Jahre das Ziel von Massendemonstrationen und Attentaten und damals noch der größte Steuerzahler der Republik. »Ich kann Sie hören, Bylla, und ich kenne Ihren verdorbenen Charakter, und die Zeit verrinnt. Ich bin ein geduldiger Mann, ich bin mildtätig sogar meinen Feinden gegenüber, und Sie zählen weiß Gott nicht zu meinen Freunden, aber selbst mein Sanftmut ist nicht unendlich. Ich habe Sie von der Straße geholt, Bylla, ich habe Sie aus der Gosse aufgelesen, Ihnen den Schmutz abgeklopft und Sie gemästet, aber alles hat seine Grenzen, wirklich alles …«
    Andy Beh schlug hinter sich die Tür ins Schloß und stand auf dem breiten Korridor, direkt unter dem Dach des Herrenhauses, und Wände und Boden waren kahl, und der schicke Eugen hatte sämtliche Wertgegenstände fortschaffen lassen, in die unteren Räume, in denen sich Andy nur unter Aufsicht bewegen durfte.
    »Dieses Mißtrauen«, sagte Andy mürrisch. »Ich ertrage dieses Mißtrauen nicht. Ich bin ein Mensch mit Rechten und einer gewissen, unverkäuflichen Würde.«
    »Ich will Ihnen verraten, was Sie waren, Bylla«, fistelte Langedanz aus den Deckenlautsprechern, ereiferte sich hörbar. »Ich werde es Ihnen Punkt für Punkt auseinandersetzen. Ein Sonderposten. Genau das waren Sie, Bylla. Ein mieser, unverkäuflicher Ladenhüter, den es zu herabgesetzten Preisen im Superramsch gab. Gott, Sie wären verrottet, hätte ich mich nicht an Sie erinnert. Man hatte Ihnen ein großes Schild mit der Aufschrift GRATIS um den Hals gehängt, und trotzdem ist jeder vernünftig denkende Mensch an Ihnen vorbeigegangen. So war es, Bylla. So sah die Lage aus. Sie müssen dem ins Auge sehen. Sie müssen dies ein für allemal erkennen, Bylla, oder Sie gehen wirklich vor die Hunde …«
    Andy schüttelte sich, zog den Kopf ein und fragte sich, wie lange er das noch ertragen konnte. Die Stimme verfolgte ihn, schlich hinter ihm her auf leisen Sohlen, ein Irrlicht im finsteren Tal dieses muffig riechenden Korridors, und Andy war an ganz andere Korridore gewöhnt, an solche, wo Kristallüster von hohen Decken hingen und roter Samt an nackten Fußsohlen kitzelte; mit frischen Blumengebinden auf Biedermeier-Kommoden, und livrierte Kellner, die für bares Geld den besten Schmuggel-Whisky aus den USA und die willigsten Mädchen lieferten. Eugen Friedrich Langedanz war reich; trotz allem, was geschehen war, trug er schwer an der Last seiner Banknoten, Firmenanteile, Liegenschaften, Steuervergünstigungen und Investitionszulagen, zumindest hier, im Freien Österreich, und selbst wenn er Hunderttausende am Tag verpraßte, war er nach der folgenden Nacht doch wieder um den doppelten Betrag reicher. Aber Andy war ebenfalls kein armer Mann gewesen – damals.
    Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte er die Schecks von JumpTV, RTL und Deutschfunk schwerlich zählen können, da waren ihm die Tantiemen zugeflossen wie ein Wildbach nach der Schneeschmelze im knospenden Frühling, da hatte er Psycho und Casablanca auf seine ureigene, geniale Weise mit Sensi-Reizen versehen, daß die Menschen bleich vor Grauen aus den Sensi-Palästen flohen, wenn das verrückte Muttersöhnchen mit blankgezogenem Schlachtermesser in die Duschkabine der Nackten schlich … Und er hatte zahllosen Briefträgern und Aushilfskellnern Gelegenheit gegeben, mit Haut und Haaren, Gefühl und Verstand in Casablanca Bogart zu sein, im grauen Trenchcoat ihr Schicksal zu erfüllen und hart zu bleiben, als es auf dem Flughafen, bei nebliger Nacht, um den Abschied ging … Niemand hatte es so gekonnt wie Andy Beh; niemand hatte diese Gedankenwelten so perfekt beherrscht und mit den notwendigen sensorischen Reizen erfüllt, bis der supersensitive Effekt Mann und Frau, Kind und Großvater das Gehirn aus dem Schädel hob, hoch hinauf in eine Welt, die es nicht gab und doch immer geben würde.
    Eine herrliche Zeit, Teufel, Teufel! dachte Andy beschwingt und guten Mutes, und dann sah er wieder die Kuriere von MGM und Warner Bros, mit den Aktenköfferchen und dem nicht zu versteuernden Schwarzgeld, der kosmopolitischen Schmierflüssigkeit, die ihn nach Amerika locken

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