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Lichtjahreweit

Lichtjahreweit

Titel: Lichtjahreweit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
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stündlich bekommen habe? Daß ein ganzes Postamt in Wanne-Eickel allein für mich gearbeitet und die Bundespost mir das Gelbe Verdienstkreuz überreicht hat …?
    Natürlich vor dieser Sache mit dem Alkohol.
    Auch ein Andy Beh konnte nicht ungestraft die Honoratioren des republikgrößten Medienkonzerns auf unflätigste Art und Weise in der Öffentlichkeit beschimpfen …
    Zur Hölle mit euch, wenn mir der Teufel nicht zu leid täte …! Dieser Gedanke erschien Andy Beh genial, und es schmerzte ihn, daß er keine Möglichkeit hatte, ihn der Nachwelt zu hinterlassen, auf seinem Grabstein vielleicht, seinem Mausoleum.
    Und während Andy Beh geschmeidig Eugen Friedrich Langedanz und der knochigen Schwester folgte, da empfand er eine obszöne Verbundenheit mit dem tattrigen Alten. Hatte man nicht sie beide davongejagt? dachte er. Hatte man nicht sie beide ins Vergessen gestürzt, dem Hohn ausgesetzt? Eugen zu recht und Andy Beh zu unrecht … Das und das Alter … das war es, was sie trennte.
    »Sie müssen sich Mühe geben«, fistelte der gestürzte Finanzgott dem einstigen Fixstern am Himmel der Sensi-Schöpfer zu. »Es hat mir gar nicht gefallen, wissen Sie, gar nicht, was Sie letztes mal – gestern, oder? – geboten haben. Sie müssen sich etwas Neues einfallen lassen. Ich bezahle Sie gut. Ich ruiniere mich, nur um Sie bei Laune zu halten, und deshalb habe ich ein Recht auf erstklassige Arbeit. Sehen Sie das ein? Ich meine, verstehen Sie überhaupt, was ich da zu Ihnen sage?«
    Zum erstenmal ergriff die Schwester das Wort, und zu Andys Überraschung war ihre Stimme weich wie ein Karamelbonbon. »Er ist wieder betrunken, merken Sie das nicht? Er ist sternhagelvoll, sehen Sie sich doch nur mal seine Augen an.«
    Andy straffte sich und sagte würdevoll: »Ich streite nicht mit Angestellten, aber ich versichere Ihnen, daß ich so nüchtern bin wie ein neugeborenes Kind …«
    Die Krankenschwester rümpfte die Nase.
    Ich könnte sie jetzt umbringen! erkannte Andy verwirrt, und er rang den Zorn nieder, der seine Hände wieder zittern ließ und all seine Muskeln zu verspannen drohte, gerade jetzt, wo Spannung doch das letzte war, was er gebrauchen konnte.
    Sie betraten das Gelbe Zimmer, einen Saal mit Blick auf den Garten. Der Gärtner mit dem Elektromäher war verschwunden, graue Streifen spannten sich vom grauen Himmel zum grünen Rasen.
    Regen.
    Schwefelregen.
    Scheußlich! dachte Andy, und erst als er Eugens mürrischen Gesichtsausdruck bemerkte, begann er Gefallen am Regen zu finden und betrachtete ihn sogar als urgewaltigen Verbündeten, der wie er darauf wartete, daß sich dieser kleine, boshafte, welke Mund für immer schloß und diese gelben Runzelaugen auf ewig in die Leere starrten.
    Mitten im Gelben Zimmer erhob sich der gepolsterte Lehnsessel mit dem Sensiver. Im Hintergrund, gegenüber der Fensterfront, nahm ein Regalschrank, bis zur hohen Decke reichend, die ganze Wand ein; dort reihte sich eine Sensi-Kristallcassette an die andere.
    Ein schaler Geschmack lag auf Andys Zunge.
    Geiler Bock, dachte er. Was darf’s denn heute sein? Die Entjungferung einer unmündigen Negersklavin? Eine Massenorgie, vorzugsweise mit Halbwüchsigen? Die Sache mit dem Hengst und Zarin Katharina? Eine Prise Caligula, ein Löffel de Sade, verquirlt mit Charles Manson?
    Es ist das Geld, sagte sich Andy Beh. Es ist das Geld, das mich dazu bringt. Sonst hätte ich ihm schon längst alles vor die Füße geworfen … und dieser Ami-Whisky. Wo in Europa bekommt man heutzutage noch Whisky made in USA?
    Sabbernd, ächzend, krächzend ließ sich Eugen in dem Sessel nieder und winkte Andy zu dem Aufnahmegerät; einem Metallrohrstuhl, jutebespannt, über dem die Sensi-Glocke hing. Der Computer war unter der Sitzfläche angebracht, und sobald man ihn einschaltete, würde er beginnen, Andys trance-kodierte Gehirnwellenmuster aufzuzeichnen und in dem Silikonkristall zu speichern, dem murmelgroßen Behälter für eine ganze Welt, ein Universum aus supersensitiven Reizen, ein Kosmos, den man hören, sehen, fühlen, schmecken, riechen und ertasten konnte.
    Andy nickte weise.
    So ist es, dachte er. Was darf ich Ihnen anbieten? Was wollen Sie sein? Wir führen alles, alles und mehr als das. Jesus Christus am Kreuz, live und in Farbe? Sie können selbst dort hängen, den Schmerz empfinden (auch gedämpft, natürlich), und drahtlos mit Gottvater verbunden sein, während die Legionäre unter Ihnen um Ihr Gewand würfeln … Oder Attila? Auf einem

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