Lichtjahreweit
chirukosmetischen Spezialklinik eines Exil-Ungarn erworben, der zufälligerweise der Schwippschwager des anderen Ortes verstorbenen Fast-Food- Referenten Elmar Hintermstein war. Liu Chang griff Onnedecker soeben in die Hose, nicht ahnend, daß sich weiter unten die mörderische Spore KMK-37 unermüdlich teilte. »Wo steckt denn Didi?« fragte Onnedecker und tätschelte geistesabwesend Liu Changs silikongestraffte Brüste. »Ein Teil von ihm vermutlich in irgendeinem Arsch«, erwiderte Chang. Sie tastete forschend weiter, fand aber außer schlaffem Fleisch nichts Bemerkenswertes, und zog ihre Hand verdrossen wieder zurück.
Auf dem Ruhrstädter Holunderberg erkaltete Erikas Liebe für Alf indessen immer mehr, und aus der Kälte züngelten die Flammen des Hasses empor: »Außerdem«, kolportierte Erika das Fazit einer schlüpfrigen Glosse in der August-Ausgabe des Bavarischen Boten, »außerdem bist du meinen sexuellen Bedürfnissen sowieso nicht mehr gewachsen. Und das im wahrsten Sinne des Wortes.«
Alf ignorierte ihre Bosheit.
Schließlich, dachte er hämisch, wußte sie nichts von Linda Battsch, der Aushilfsbüfettdame von Kaisers Café, in dem er seine freien Nachmittage zu verbringen pflegte: Bei einem starken Mokka und einer großzügigen Dosis Tia Maria befreite er sich dort von den Frustrationen seines Arbeitslosendaseins. Linda war Mitglied der europäischen Sektion der Einzig Wahren Kirche Unseres Lieben Herrn Jesu, und sie zuckerte sämtliche Bekehrungsversuche mit einem allzeit bereiten Schoß. Das Gedränge hinter dem Büfett hatte bereits die Aufmerksamkeit des Sittendezernats erregt und Videopastor Memmeling zu dem vielbeachteten Hirtenwort von der vegetarischen Nächstenliebe angestiftet: Selig sind die Vegetarier, denn sie entsagen der Fleischeslust. Wer das Fleisch begehrt, soll in der Fleischerei umkommen. Amen. Später, nach der großen Verknollung und dem Latrinentod des Bundesverteidigungsministers, floh Linda vor den Nachstellungen des Sittendezernats nach Niederkalifornien, in die offenen Arme von Bischof Agnes Pain, und unter den Klatschkolumnisten an der Westküste wurde von Eifersuchtsdramen und theologischen Disputen gemunkelt …
Für Alf war diese Entwicklung allerdings noch graue Zukunft.
Es dauerte ungefähr eine halbe Stunde, bis Erika ihre Habseligkeiten in einem halben Dutzend italienischer Aktentaschen aus der nahen Kauf + Spar- Filiale verstaut und unauffällig Alfs Scheckheft geklaut hatte – nicht ahnend, daß Alfs Konto schon seit Monaten hoffnungslos überzogen war. Nach einem letzten scheuen Schimpfwort verließ sie die gemeinsame Hinterhofwohnung und verschwand aus Alfs Leben. Die Informationen über ihr weiteres Schicksal waren dürftig: Glaubwürdige Beobachter versicherten Alf, daß sie weder freiberufliche Pornopostkartenverlegerin noch Mätresse des ins Freie Österreich entflohenen Pforzheimer Tycoons E.F. Langedanz wurde. Monate später glaubte Alf, sie als Tambourmajor auf einem Wohltätigkeitsball der Heilsarmee zu sehen, doch zu diesem Zeitpunkt war er schon so betrunken, daß er halluzinierte.
Im Kampf steht der Mann allein, dachte Alf melancholisch. Er blickte sich in der stillen Wohnung um und betrachtete mit Schmerzen im Herzen das zerwühlte Bett. Unter dem Bett lugten die löchrigen Fußteile von Erikas fluoreszierenden Feinstrumpfhosen hervor. Alf bückte sich. Eine einsame Träne tropfte aus seinem linken Auge.
Nach Tränen war Professor Onnedecker nicht zumute. Im Gegenteil. Er schloß hinter sich die Tür von Liu Ghangs Apartment und zerrte am Reißverschluß seiner Hose. Der Reißverschluß klemmte. Die Asiatin – Geburtsort Passau – legte ihren kurzen Rock ab, faltete ihn sorgfältig zusammen und bot Onnedecker ihr höhensonnegebräuntes Hinterteil dar. »Scharf«, röchelte der Genetiker. »Bleib so, uh, bleib so, zeig mir deinen … äh … und … Gottverdammte Scheiße!« Wütend zog und zerrte er am klemmenden Reißverschluß, bis er endlich aufklaffte, und streifte hastig die Hose ab. Zum Vorschein kamen eine knielange Baumwollunterhose, dünne, haarige Beine, grüne Sockenhalter und grüne Socken. In diesem Moment drehte Liu Chang den Kopf. »Jesses!« entfuhr es ihr. »Was haste denn da?« Sie deutete mit einem spitzen Finger auf die Sporenballung KMK-37. »Das sieht ja aus wie eine Knolle!« Es sah tatsächlich aus wie eine Knolle.
Mittlerweile war es zehn Uhr geworden.
Im Interesse seines Kreuzzugs gegen die atomare Gefahr – und
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