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Lichtjahreweit

Lichtjahreweit

Titel: Lichtjahreweit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
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HEILKRÄUTERN UND MAKROBIOTISCHER KOST ERWARTET SIE IN UNSERER ABTEILUNG ALTERNATIV LEBEN.
     
    Alf blinzelte.
    »Das ist es!« rief er und deutete auf die Nachrichtenwand. »Ich hatte soeben eine blitzgescheite Idee!«
    Robby folgte seinem Blick, ohne auch nur im entferntesten die Tragweite von Alfs Gedankengang zu erfassen. »Offenbar«, stellte er fest, »ist dir die Atomdrohung auf den Magen geschlagen. Es ergeht jedem so, wenn er erkennt, daß unsere Republik eine einzige Raketenbasis ist. Aber auch Kräutermittel sind machtlos gegen den radioaktiven Fallout.«
    Alf hatte nicht zugehört. Er dachte an seine fünf Monate zurückliegende Stellung als Anlernling des Aushilfslagerarbeiters Oskar Weinheim in der Kauf + Spar- Filiale; ein kurzes Solo in Alfs Arbeitslosenblues, das von Weinheim auf brutale Weise beendet worden war. Im alkoholisierten Zustand hatte Weinheim Alf aufgefordert, eine Kiste tiefgekühlter Ölsardinen in die Parfümabteilung des Supermarktes zu schaffen. Drei Tage später war die ganze Filiale vom städtischen Gesundheitsamt wegen unerträglicher Geruchsbelästigung geschlossen worden, und man hatte Alf und Weinheim fristlos entlassen. Während seiner Tätigkeit hatte Alf einen Blick in das Nachrichtenbüro des Supermarktes werfen können, wo Gerlinde Oh – eine Blondine mit einer morbiden Vorliebe für Jamaica-Rum aus dem hauseigenen Getränkesortiment – die elektronische Wand steuerte.
    Später, nach der Großen Verknollung, wurde die PR-Dame vom Kauf + Spar- Filialleiter Galle von einem Tag zum anderen gekündigt. Daraufhin erhielt sie 213 briefliche Heiratsanträge, die sich jedoch allesamt als fingiert erwiesen und aus dem Nachlaß des anderen Ortes verstorbenen Fast-Food- Referenten Elmar Hintermstein stammten. Gerlinde Oh emigrierte schließlich – nach einer flüchtigen Liebschaft mit Alf – nach Liechtenstein und arbeitete als Repräsentantin einer andorranischen Briefkastenfirma.
    Alf, für den diese Dinge noch weit in der Zukunft lagen, setzte Robby mit knappen Worten seinen Plan auseinander und schloß: »Nun, nun, ist das nicht verdammt gerissen?«
    Robby Warschinzki dachte lange nach.
    Eine gute Gelegenheit, das weitere Schicksal von Onnedeckers Chauffeur zu beleuchten. Während des professoralen Bordellbesuches hatte sich der Chauffeur an den latexbeschichteten elektrischen Male- Entspanner der Luxuslimousine angeschlossen und mit lüsternen Augen die 3-D-Fotos in den Vitrinen vor Bernies Bordell betrachtet. Kurz vor dem Orgasmus entdeckte er an seinem Hodensack eine braunschwarze Verdickung, die er sofort als biologische Entartung des Zellkerns identifizierte. Sofort schaltete er den Male- Entspanner aus und das Funkgerät ein.
    »Schaf an Hirte!« schrie er mit sächsischem Akzent in das Mikrofon. »Schaf an Hirte! Meldet euch endlich, ihr Mistkerle. Es hat mich erwischt. Ich verknolle!« Im Empfänger knackte es, als der eingebaute Dechiffrierer die Antwort aus den Ost-Berliner Stasi-Katakomben entschlüsselte.
    »Gestehen Sie nichts«, riet der namenlose Führungsoffizier. »Streiten Sie alles ab. Denken Sie daran, Genosse, die gesamte Arbeiterklasse steht wie ein Mann hinter Ihnen!« Mit aufgerissenen Augen verfolgte der Chauffeur das Wachstum der mörderischen Spore KMK-37. »Dieser hoffnungslos senile Professor hat die Spore in die Stadt eingeschleppt. Wißt ihr, was das bedeutet? Das ist das Ende von Heilbronn – vielleicht sogar das Ende der ganzen Republik!«
    Der Führungsoffizier reagierte verwirrt. »Welche Republik meinen Sie, Genosse!«
    Der Chauffeuer stöhnte auf, sagte »Scheiße!« und unterbrach die Verbindung. Flucht! war sein einziger Gedanke, Bloß weg von hier! Mit quietschenden Reifen schoß die Limousine aus der Parklücke vor Bernies Bordell – und kollidierte mit dem rostigen Gebrauchtwagen des illegal eingereisten türkischen Gemüsehändlers Ützmük Yümühün. Dem Chauffeur blieb keine Zeit mehr zu bereuen, sich nicht angeschnallt zu haben. Zusammen mit einigen tausend Partikeln der mörderischen Spore KMK-37 flog er durch die zersplitternde Windschutzscheibe.
    Während der Chauffeur in Heilbronn den Unfalltod starb, betraten Alf und Robby den Kauf + Spar- Supermarkt. Argwöhnisch beobachtet von den Videokameras des hauseigenen vollautomatischen Diebstahlverhütungssystems erwarben sie in der Getränkeabteilung fünf Flaschen Jamaica-Rum. Eine Weile spazierten sie nervös an den Computerkassen auf und ab, bis ihnen die Verhaftung eines

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