Lichtschwester - 8
wirst du ihn nie mehr zu Gesicht bekommen!«
Als das Haremstor krachend hinter ihnen zugefallen war, nahm man Marayd die Ketten ab und führte sie durch eine Unzahl von Fluren und Türen. Es waren luxuriöse Räumlichkeiten, für deren Schönheit sie aber jetzt kein Auge hatte. Was ihr dafür auffiel, waren die schwere Bewachung, die massiven Türschlösser, die Gitter an den Außenfenstern. Derartig aufwendige Sicherheitsvorkehrungen hatte sie noch nirgends gesehen, nicht einmal bei ihrem Wachdienst im Frauentrakt des Staatsgefängnisses von Daizur und im königlichen Schatzhaus. Deshalb ließ sie jeden Gedanken an eine Flucht ohne magische Hilfsmittel auf der Stelle fahren.
Fast so erschreckend wie der Kerker waren für sie seine Insassen, die Frauen und Konkubinen von König Gambreol. Ein einziger Blick in ihre schönen, aber wie erloschenen Augen lehrte sie mehr über das Leben in einem Harem, als sie je hatte erfahren wollen. Diese armen Geschöpfe hatten nicht mehr Geist im Leib als jene obszönen Frauenstatuen, die für manche Männer so erregend sind.
Bei Gesprächen mit einigen dieser zweihundert Haremsfrauen merkte Marayd, daß es ihnen auch an Individualität mangelte … Seele und Geist, falls sie derlei besessen haben sollten, waren ihnen durch Vernachlässigung verkümmert. Dagegen hatten selbst die Insassen des Staatsgefängnisses von Daizur sich zumeist ihren wachen Verstand und ihre glühende Hoffnung auf Freiheit bewahrt.
Marayd fragte sich, wofür diese Frauen da lebten. Aber eigentlich lebten sie ja gar nicht, sondern existierten nur … Was mußte das für ein Mann sein, der solche Geschöpfe erregend fand? Jeder, der sich einen Harem als einen Ort der Freude und Sinnlichkeit denkt, sollte einmal mit eigenen Augen einen sehen! Man übergab Marayd nun einer barschen Matrone, einer ExFavoritin Gambreols, deren Reize längst verblaßt waren - und die verordnete ihr erst einmal ein Bad.
So saß Marayd denn in ihrer großen Wanne aus geädertem schwarzem Marmor und wusch sich in dem nach Moschus duftenden warmen Wasser, und eine Zofe schöpfte ihr ab und an aus einem riesigen Kessel heißes Wasser nach.
Da trat eine schöne, wenn auch affektierte, mit Edelsteinen reich geschmückte und in prachtvolle Gewänder in verschiedenen Rottönen gehüllte Brünette ein und musterte die Neue gründlich. Marayd war diese Inspektion kaum weniger lästig und widerlich als jene durch Gambreol.
Nun fragte die Dame in herrischem Ton: »Weißt du, wer ich bin?«
»Sollte ich das?«
»Ich bin Lady Baytilis, die Hauptfrau des Königs und Mutter des Kronprinzen«, sagte die Brünette süffisant lächelnd. »Du glaubst vermutlich, du könntest ihn dir dank deiner Jugend, Schönheit und Jungfräulichkeit gefügig machen. Aber ich werde dir schon zeigen, daß hier nur eine Frau Einfluß auf ihn hat … und die bin ich!«
Marayd seufzte. »Er gehört ganz dir. Ich bin bloß eine Gefangene und will rein gar nichts von … Seiner Majestät.« »Das sagen viele Neulinge. Aber das Haremsleben bricht den Willen jeder Frau. Bald schon wirst auch du wie all die anderen sein und unterwürfig um ihn herumscharwenzeln und um seine Gunst buhlen«, erwiderte Lady Baytilis. »Aber wisse, törichte Jungfrau … Seine Majestät ist der Herr, und ich bin die Herrin dieses Harems. Mein Wort ist für dich Gesetz.
Wenn du das beherzigst, mir gehorchst, werden wir gut miteinander auskommen. So du aber versuchst, dich mir zu widersetzen, werde ich dich leiden lassen, wie du noch nie in deinem Leben gelitten hast. Hast du verstanden ?!«
Marayd mußte auflachen und rief: »Du anmaßendes und lächerliches Weib, du! Wirklich, du solltest dich einmal reden hören …«
Baytilis warf ihr einen stahlharten Blick zu und gab den Wächtern einen Wink. Und die ergriffen Marayd jäh an Armen und Beinen und warfen sie, trotz ihrer Schreie und aller Gegenwehr, kopfüber in den Kessel mit dem siedendheißen Wasser.
Eine Woche später waren Marayds Verbrühungen noch nicht verheilt. Sie war zu schwach, um sich zu rühren, aber dafür wenigstens auch nicht in der Verfassung, von Gambreol belästigt zu werden. Er war auch damit beschäftigt, die anderen Neuerwerbungen zu deflorieren - ganz zu schweigen davon, daß er sich mit allen Lieblingsfrauen und Lieblingskonkubinen wieder vertraut machen mußte.
So war Marayd noch sicher vor ihm - leider aber auch außerstande, sich das Material für ihre Fluchtmaschine zu besorgen. Bliebe ihr dazu noch
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