Lichtschwester - 8
zu folgen, ist auch nicht viel schwerer, dachte sie frohgemut.
Immer tiefer in die Nacht hinein schlich Terri. Geknickte Zweige und hier und da ein Kiesel, den ein Fuß beiseite gestoßen hatte, wiesen ihr den Weg, und ihr Vater führte sie sacht. Nachdem sie Stunden so durch den Wald gespürt hatte, sah sie vor sich im Hang eines Hügels eine Höhle - die ihr bestimmt entgangen wäre, wenn diese Fußspur nicht direkt darauf zugeführt hätte und darin verschwunden wäre. Sie gönnte sich erst noch eine Atempause und wagte sich nun in den gähnenden Schlund. Ihre magische Fackel leuchtete ihr bestens, ließ jedoch unheimliche Schatten über die Höhlenwände tanzen. Terri schritt sehr langsam und vorsichtig voran, um ja nicht unverhofft in Storos hineinzulaufen … Die einzigen Geräusche, die sie da vernahm, waren das ihres Atems und das der ringsum ständig herabfallenden Wassertropfen. Als es weit voraus plötzlich hell wurde, löschte sie schnell ihre Fackel.
Sie schlich gebückt auf das Licht zu, tastete sich dabei mit den Händen an den Wänden entlang und trat vorsichtig auf, um sich ja nicht durch Geräusche zu verraten. Als sie um eine Ecke bog, sah sie, daß die Helle kein Feuerschein, sondern der Nachthimmel war, auf den sich die hier endende Höhle öffnete. Terri trat ins Freie und verbarg sich hinter einigen großen Felsblöcken. Nun gewahrte sie, daß sie sich auf einer schmalen Bergnase befand, die unweit vor ihr schroff zum Tal abfiel. Zu ihrer Rechten lagen noch mehr Felsblöcke, die von irgendeinem Bergrutsch herrühren mochten. Und zu ihrer Linken stand Storos. Da hielt Terri den Atem an. Aber Storos hatte sie offenbar nicht bemerkt. Er stand mit dem Rücken zu ihr hart am Abgrund, und sein schwarzer Umhang flatterte im Wind. Er hielt etwas in den Händen, das sie aber nicht zu erkennen vermochte, und reckte es gegen den bestirnten Himmel. Terri hörte, daß er ein Lied in einer fremden Sprache sang … und sie hatte das Gefühl, Zeugin einer zutiefst persönlichen Zeremonie zu sein. Jetzt lugte der Mond hinter einer Wolke hervor. In seinem Schein erkannte sie, was Storos in seinen Händen hielt: einen goldenen Kelch. Er setzte ihn langsam ab und begann dann, immer lauter zu singen. Da ihr Schlimmes schwante, hielt sie sich rasch die Ohren zu und schloß fest die Augen. Er sang tatsächlich noch lauter, aber doch nicht so fürchterlich laut wie beim vorigen Mal … Nun war es ein melodischer Singsang, der durch die Nachtluft zu ihr herschwebte, sie mit nie gefühlter Traurigkeit erfüllte und ihr ihre eigenen Sorgen als belanglos und kindisch erscheinen ließ. Sie spürte mit einemmal eine schreckliche Sehnsucht in sich aufsteigen. Ein Sehnen nach Menschen und Orten, die sie nie in ihrem Leben kennenlernen oder gar verstehen würde. Dieser Gesang war zugleich wunderschön und fürchterlich. Terri spürte, daß ihr die Tränen übers Gesicht liefen, und ihr ganzer Körper vibrierte mit jedem Ton mit.
Da brach der Gesang ab. Terri keuchte auf vor plötzlicher innerer Leere. Sie wischte sich die Tränen ab und versuchte, ihr Zittern zu unterdrücken. Für einen Augenblick lag die Bergwelt stumm und reglos da. Dann erscholl das Flattern von abertausend Vögeln, und es erhob sich eine Bö, die Staubwolken aufwirbelte und die Kiesel wild tanzen ließ. Als Terri um einen Felsen spähte, sah sie bloß Schwärze vor sich. Aber bald glommen rings um die Schwärze einige Sterne auf und dann noch mehr. Da begriff Terri, daß die Schwärze ein Ding war. Es bewegte sich anscheinend von ihr fort, wobei das Geräusch der Vogelschwingen leiser wurde … Irritiert sah sie zum Steilabhang hinüber - Storos war verschwunden. Dieses Etwas mußte ihn verschlungen haben. Terri faßte sich ein Herz und lief zu der Stelle hin, wo er soeben noch gestanden hatte. Das schwarze Ding schien ihrer nicht zu achten.
Als Terri in den Abgrund blickte, sah sie etwas, das ihr erneut den Atem nahm: einen Goldschatz, der in einem Spalt der Steilwand lag.
Den hatte bestimmt Storos zusammengetragen! Da lagen goldene Kelche, Teller, Armreifchen und Ringe und vielerlei Kostbarkeiten mehr. Terri hob einen der prächtigen Kelche auf und sah dann zum Himmel empor. Das schwarze Ding hatte sich nun so weit entfernt, daß sie es erkennen konnte: Es war ein riesiger Drache.
Er war das schönste Wesen, das sie je zu Gesicht bekommen hatte. Andächtig sah sie ihm zu, wie er über dem Berghang kreiste. Seine schwarzen Schuppen glitzerten
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