Lichtschwester
Wegs wie möglich zurücklegen. Denn wenn erst einmal die Sonne schiene, wäre sie in dieser ausgedörrten Steppe den Blicken der Verfolger schutzlos ausgeliefert und auf weite Entfernung auszumachen. Also gürtete sie ihr Schwert, vergewisserte sich rasch, daß noch alle Edelsteine im Beutel waren, und machte sich dann nach Norden auf, mitten durch ein mit Büschen bestandenes Terrain.
Aber als sie durchs dichteste Dickicht brach, erhob sich hinter ihr ein Söldner, der Helbors Wappen trug, schwang eine Keule und schlug ihr so aufs Haupt, daß sie alle viere von sich streckte. Ihr Helm hatte die Wucht des Hiebs gedämpft, sie jedoch nicht vor Schmerzen bewahrt, und fiel ihr nun zudem ab, weil der Kinnriemen gerissen war. Sie zog reflexartig ihr Schwert, verfing sich aber damit im Gestrüpp. Der nächste Hieb, nun auf ihren ungeschützten Kopf, nahm ihr das Bewußtsein.
»Du glaubtest also, wir wüßten nichts von diesem Tunnel?« höhnte Helbor und faßte seine in Ketten vor ihm stehende, aber trotzige Gefangene am Kinn, um ihr in die Augen zu blicken. »Du törichte Daizuriterin! Du wolltest mir meinen Schatz rauben, dafür raube ich dir jetzt den deinen!«
»Weder ich noch meine Familie verfügen über Reichtümer. Es wäre vergebliche Mühe, für mich ein Lösegeld erpressen zu wollen. «
»Solche Schätze meine ich nicht«, versetzte er und kicherte. »Ich meine deine Jungfräulichkeit ... Weißt du, als meine Soldaten dich nackt auszogen und auf verborgene Waffen untersuchten, stellten sie fest, daß du noch unberührt bist.« Panik befiel Marayd. Aber sie zwang sich zur Ruhe und versetzte eiskalt: »Eher töte ich mich selbst, als daß ich mich von dir vergewaltigen lasse!«
Wieder lachte er böse. »Von mir? So ein Biest wie dich würde ich nicht einmal anspucken! Nein, ich werde dich verkaufen, und zwar an König Gambreol. Er dürfte in drei Tagen hier durchkommen, auf dem Heimweg von einer Pilgerfahrt, und er hält ja immer Ausschau nach Jungfrauen, die er seinem Harem einverleiben könnte. Er wird mir einen guten Preis zahlen ... und ich brauche das Geld, wie du weißt.«
Drei Tage später schleppte man Marayd, so wie Helbor es angedroht hatte, zu Gambreols Zelt. Der König hatte ein hartes Gesicht und müde Augen, wie jemand, der zur Grausamkeit neigt und sich vielen billigen Vergnügungen hingibt ... Sein Gehabe war selbst für einen Monarchen arrogant und pompös. Marayd schlug die Augen nieder, als er ihr Gesicht musterte. Und er befahl seinen Wächtern, ihr das Gewand vom Leib zu schneiden, da sie, mit den Ketten an den Handgelenken und Fußknöcheln, nicht anders zu entkleiden war.
Als Marayd dann nackt vor ihm stand und er sie wie ein Stück Vieh abgriff, weinte sie vor Scham und Zorn. Er kniff ihr derb in die Brüste, daß sie aufschrie vor Schmerzen, und ließ ihr von seinen Gardisten die Schenkel auseinanderzwingen, um selbst nachsehen zu können, ob sie wirklich noch Jungfrau sei. Dann sagte er zu seinem Faktotum: »In Ordnung. Bring Helbor jetzt das Gold. Aber nimm ihr ihre Ketten erst ab, wenn wir im Palast sind, verstanden?«
Marayd wußte, daß alles Flehen vergeblich wäre, und sagte deshalb zu sich: Du wirst dich an mir nicht ergötzen, Gambreol. Ich werde dich töten ... oder mich selbst.
Die Reise zu Gambreols Palast in der Stadt Demaforth dauerte acht Tage. Und so lange war Marayd noch vor ihm sicher, da er für die ganze Pilgerfahrt, bis zu seiner glücklichen Rückkehr, Keuschheit gelobt hatte. Und da er auf dem letzten Stück der Reise noch fünf Jungfrauen kaufte, hoffte sie, daß er dann erst einmal mit ihnen beschäftigt wäre.
Marayd hatte unterwegs viel Zeit zum Nachdenken. Irgendwann mußte ihr Peiniger ihr die Ketten abnehmen, und dann würde sie bestimmt irgendein Mittel finden, ihre Ehre auf drastische Weise zu verteidigen ... Sie könnte sich mit einer Scherbe von dem irdenen Eßgeschirr, das man ihr wohl brächte, die Pulsadern aufschneiden.
Wenn man ihr ein Bettlaken gäbe, würde sie es in Streifen reißen, sich einen Strick knüpfen und sich daran aufhängen. Und wenn sie an ein hochgelegenes Fenster oder auf ein Dach gelangen könnte, würde sie sich in die Tiefe und zu Tode stürzen. Aber ihr blieb auch noch eine andere Möglichkeit - vorausgesetzt, sie fände die Zeit und die Mittel dazu. Und das war jenes geheime Verfahren einer Teleportation, das ihr die berühmte daizu-ritische Zauberin Meteris bei der
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