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Lichtschwester

Lichtschwester

Titel: Lichtschwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Risiko einge-
hen, dachte sie. So zog sie ihre Kettenhaube an, setzte sich den
Helm auf und zog ihre Handschuhe an, lockerte ihr Schwert,
nahm den Schild hoch, rückte ihre Lanze zurecht und ritt dann
wachsam weiter.
      Da kam der Drache, wie aus dem Hang geschossen! Er flog eine
enge Schleife, stieß mordlüstern auf sie herab. Sie duckte sich
unter den Schild, griff nach der Lanze. Aber ihr Ellbogen streikte. Die Lanze fiel zu Boden. Ein Glutstrahl traf sie. Ich bin tot, dachte sie, und dann dämmerte ihr, daß sie ja noch am Leben war. Aber wo ist der Drache? Ratlos suchte sie den Himmel ab.
  Nichts. Aber da, zwei Drachenlängen vor ihr, da kauerte er; und einen Flügel hielt er merkwürdig schief. Siegesgefühl erfüllte sie.
Ein Drache mehr! Nun eine scharfe Attacke auf ihrem Hengst, mit eingelegter Lanze ... aber das würde sie nicht mehr schaffen.
Und der Drache würde gleich seinen zweiten Angriff fliegen ...
  Aber er machte keinerlei Anstalten dazu. Sehr seltsam. Weshalb war er überhaupt am Boden? Sie musterte ihn scharf. Seine Schuppen wirkten matt und stumpf, einige sogar brüchig. Dieser riesige Flügel war ganz ausgefranst. Und an einer Tatze fehlten etliche Krallen. Nun riskierte Yngilda etwas, wovor alle jungen Drachentöterinnen in spe streng gewarnt werden: Sie blickte ihm in die Augen - und da sah sie, daß seine Pupillen trüb waren, trübe Fenster vor halb erloschenen Feuern.
      Da riß er sein fürchterliches Maul auf, spie eine Hitzewoge, eine schwarze Rauchwolke und flackernde Flämmchen. Yngilda hätte fast laut aufgelacht. Nicht Mitleid war es, was sie empfand, nein, ein Gefühl von gleich zu gleich.
  »Drache!« schrie sie.
  Keine Antwort.
      Also wurde sie ganz förmlich: »Bei Sankt Georg und Sankt Michael befehle ich dir, mir Antwort zu geben!« »Ich höre«, brummte er mit tiefer, müder Stimme. »Drache, deine Schuppen sind matt, deine Flammen schwach. Du bist alt geworden.«
      »Du auch!« knurrte er. Es klang belustigt. »Mach dich lieber aus dem Staub, Menschlein. Bald kann ich wieder fliegen ... Dann töte ich dich!«
      »Ich denke ja nicht daran zu fliehen!« versetzte Yngilda scharf.  
      »Soll ich etwa ohne die kleinste Brandwunde ins Dorf und sagen, ich hätte aufgegeben ? Um den Rest meiner Tage als Witzfigur und verachtete Bettlerin zu verbringen? Mit der Linken kann ich mein Schwert noch führen und harte Hiebe austeilen! Aber warum sollten wir versuchen, einander umzubringen? Kannst du diese Dörfler denn nicht in Ruhe lassen? Warum machst du das überhaupt? Wenn du mich tötest und selbst überlebst, schickt man dir eben eine junge und starke Kämpferin auf den Hals!« Der Drache grollte.
      »Meine Schwingen sind nicht mehr, was sie einmal waren, tragen mich aber bei gutem Wind wohl einen ganzen Tag. Ich will leben, durch die Lüfte schweifen. Die Dörfler habe ich nie angerührt. Ihre Rinder und Schafe schmecken eh besser.« Yngilda hatte begriffen.  
      Sie überlegte noch eine Weile und lachte dann schallend.
      »Drache, höre mir zu! Westlich von hier ist ein Gebirgstal voller fetter Hirsche. An seinen Hängen liegen blühende Dörfer ... viele mit schönen Beständen an Rindern und Schafen. Wie wär's, wenn ich dich dorthin führte? Du könntest da so viele Hirsche fressen, wie du willst, und ab und an ein paar Schafe und Rinder, mal aus dem Dorf und mal aus jenem. Dort gibt es auch warme, trockene Höhlen. Du fändest leicht eine für dich, und ich nähme mir auch eine und ließe mich häuslich nieder ... mir liegt nichts mehr am Leben in den Städten oder Dörfern. Bring du mir einen Hirsch oder anderes Wild, wenn ich nichts mehr zu essen habe ... ich beruhige dafür die Dörfler, sage ihnen, du würdest dir nie mehr holen, als sie entbehren können. Dann könntest du spazieren-fliegen, solange du noch lebst und rüstig bist, und ich könnte auch leben und immer mal ausreiten.«
      »Weißt du denn, wieviel diese Leute entbehren könnten?« »Du mußt dich eben etwas zügeln, und ich werde ihnen sagen, du seist ein furchtbarer, unbesiegbarer Drache. Mir werden sie das abneh-men.«
      Schweigen. Langes Schweigen. Der Drache lüftete seine Schwingen. 
      Und Yngilda beugte vorsichtig ihren Ellbogen - das ging ja schon wieder ganz gut...
      »Abgemacht, Menschlein!« brummte der Drache endlich. »Ich heiße Raskharr!«
      »Angenehm, Raskharr, und ich bin Yngilda.«
      »Das habe ich mir schon gedacht«, sagte der

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