Lichtschwester
absolviert und mußte ihre Kräfte daher genau einteilen.
Schneller, Shanna ... du kannst sie in einem dieser Seitengäßchen abhängen und dann das Weite suchen! War das, was in ihrem Schädel hämmerte, ihre oder Taras Angst? Sie schüttelte den Kopf, um sich davon zu befreien, und nahm die erstbeste Abzweigung in Richtung Tempelplatz. Die Aberaisi folgten ihr noch immer, und nun sah sie auch schon die Stadtwächter im gelbbraunen Wams auftauchen.
Gut, die gäben gar noch bessere Zeugen ab! Sie wich rasch einem Wagen aus und lief zügig weiter. Die Prachtstraße zum Tempel war sehr belebt, aber so breit, daß ihr genügend Raum blieb. Die Menschen stoben auseinander, als sie so stürmisch daherkam, und rissen die Augen auf vor Schreck, als sie die Häscher sahen, die ihr folgten. Auf dem Felsen hinter der Menge sah Shanna die hoch aufragenden Mauern der Zitadelle. Aber die Mauern, denen sie zustrebte, waren niedriger und hoffentlich näher.
Nun ragten die Tempelsäulen düster vor ihr auf. Als sie an ihnen vorbeistürzte, sah sie einen Trupp Bewaffneter aus dem Tempel des Toyur kommen. Da fluchte sie bei sich, hielt mitten im Lauf inne und ging gesetzten Schritts weiter, ganz als ob sie keine Ahnung hätte, wen die dicht hinter ihr anrückenden Aberaisi und Wächter suchten. Und sie war auch schon fast an der Abteilung vorbei, als einem dieser Priester aufging, was das Geschrei der Verfolger zu bedeuten hatte. Er trat ihr jäh in den Weg. Shanna schlug seinen Speer mit der flachen Klinge zur Seite, rief »Tempelasyl!« und rannte los, so schnell sie konnte. Der Priester stand für einen Moment noch verdutzt da, unschlüssig, in welchem der vielen Tempel sie Zuflucht suchen würde. Aber da stießen die Aberaisi einen Warnruf aus, der ihr sagte, daß sie das Ziel ihrer Flucht erraten hatten. Na ja, wenigstens lief sie nun nicht mehr Gefahr, sie ganz abzuschütteln. Sie mußte nur schneller sein als sie, und hinterm Marktplatz sah sie ja bereits das Rund der Arena sich abzeichnen.
Die Lungen brannten ihr wie Feuer. Aber sie hatte keine Zeit zu verlieren, denn hinter sich hörte sie bereits das Keuchen ihrer Verfolger. Ein schlecht gezieltes Messer zischte an ihrer Schulter vorbei, und die Leute stoben schreiend auseinander. Vor dem Tempel dunkel hing etwas wie ein niedergegangener Mond. Da tauchten Stufen vor Shanna auf. Sie stolperte, fing sich jedoch wieder und hastete treppauf, verhielt oben und wirbelte herum. Die Verfolger duckten sich, als sie ihr Schwert schwang. Aber es zielte nicht auf sie, sondern fuhr hoch im Bogen empor und schlug gegen Metall. Schmerz schoß durch ihren Arm - nein, ein Ton, der ihr durch Blut und Knochen zitterte.
»Tötet sie!« riefen Lady Amnisets Leute. »Sie ist eine entlaufene Sklavin!«
Shanna rang um Atem. Sie fühlte, daß hinter ihr immer mehr Männer die Treppe empor drängten. Vor ihr gleißte noch der angeschlagene Mond, aber der schreckliche Ton erstarb langsam. »Nein ...«, schrie sie feierlich, »ich gehöre jetzt Belisama.« Ein Hüne in roter Robe, kahl und mit rasierten Augenbrauen, beugte sich zu ihr herab.
»Die Arena verläßt man durchs Siegestor oder durch das Tor des Todes«, polterte er. »Willst du kämpfen?«
Shanna hatte beim Herumlungern am Marktstand, wo die Männer ihre Wetten abschlossen, ja oft gehört, wie es zu schaffen sei. Lady Amnisets Leute wichen zurück. Sie wußten, daß sie ihnen entwischt war, ob sie in der Arena die Freiheit erränge oder den Tod fände, und Shanna wußte, daß jeder Krieger, der vor ihr dort gestanden, sich wie sie aus ganzem Herzen geschworen hatte, die Arena durch das Siegestor zu verlassen.
Ein Blick bestätigte ihr, was sie gehört hatte. Der Mond, den ihr Schwert angeschlagen, war ein schildartig geformter, spiegelblank polierter Gong. In diesem noch bebenden Spiegel sah sie ihr Bild sich wandeln. Sie sah eine schwarze Kriegerin mit Rabenschwingen als Helmzier, sah einen weißen Pferdekopf mit samtenen Augen, und für einen Moment glaubte sie gar, darin Tara in all ihrer blonden Schönheit zu erblicken.
»Ich werde für die Göttin kämpfen«, erwiderte sie mit lauter Stimme. »Möge sie mir den Sieg schenken.« Jetzt begriff Shanna auch, daß sie immer die Wahrheit gesprochen hatte und daß sie, indem sie sich Belisama unterstellte, all die anderen Eide, die sie geschworen, nicht brach, sondern erfüllte.
WALTER L. KLEINE
Es gibt zwei
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