Lichtzeit - Gibson, G: Lichtzeit - Nova War
das Hauptinterface; während er angestrengt nachdachte, tippte er auf den Bildschirm. Okay, ich brauche die Protokolle. Und was kommt dann?
Gestochen scharf erschienen die Protokolle auf dem Schirm. Sollte er sie jetzt den Bandati zur Verfügung stellen und abwarten, bis sie spitzkriegten, dass sie seine Dienste nicht mehr brauchten?
Lieber nicht.
Stirnrunzelnd fixierte er den Monitor und versuchte herauszufinden, was an den Protokollen nicht stimmte. Irgendetwas kam ihm seltsam vor.
Er rief die Basisroutinen auf, prüfte die Algorithmen, die eigentlich fest integriert sein sollten und die Funktionen des Raumschiffs steuerten; je länger er sich damit beschäftigte, umso tiefer wurden die Furchen auf seiner Stirn. An den Integralsystemen der Piri waren massenhaft Veränderungen vorgenommen worden, alle während der letzten paar Wochen.
Die einzige Person, die das hätte zuwegebringen können, war Dakota.
Er rief die Log-Dateien auf und rekonstruierte einige der Veränderungen, und wie es sich herausstellte, betrafen die meisten die Funktionen der Künstlichen Intelligenz. Auf den ersten Blick wirkte es eher wie Vandalismus, denn große Blöcke der Schiffsprogrammierung waren völlig neu geschrieben worden.
Doch nichts von dem, was er entdeckte, ergab in seinen geübten Augen einen Sinn.
Er dachte an die Bandati, die draußen im Hangar auf ihn warteten, und fragte sich, wie viel Zeit ihm noch zur Verfügung stand.
Honigtau hatte behauptet, das Wrack und die Piri Reis hätten irgendwie auf direktem Wege miteinander kommuniziert. Dass Dakota das Wrack als sicheres Relais benutzen würde, um sich mit der Piri zu verständigen, leuchtete ihm ein – und nach allem, was der Honigtau ihm vorhin erzählt hatte, konnte nur Dakota für das Abschlachten der Bandati verantwortlich sein, deren Leichen draußen vor dem Schiff lagen.
Aber wenn das Wrack aus sich selbst heraus diese Veränderungen an der Piri bewirkt hatte, musste man sich fragen – warum?
Er ging zu den veränderten Basisroutinen der Piri zurück. Es war eine höchst knifflige Aufgabe, aber bei näherem Hinsehen offenbarte sich ihm in all diesem Chaos eine gewisse Ordnung. Auf jedes verfügbare Schaltkreiselement an Bord der Piri war ein Teil der Intelligenz des Schiffs übertragen worden, egal, ob es für diesen Zweck konzipiert war oder nicht. Und der übrig gebliebene Rest fand sich über sämtliche Datenspeicher verteilt wieder.
Dieser Rest besaß eine Rekursivität, die Corso daran zweifeln ließ, ob er die Dinge überhaupt aus der richtigen Perspektive sah. Aus einer Laune heraus verarbeitete er ein paar der Datenblöcke zu Grafiken. Das Ergebnis übertraf seine kühnsten Erwartungen – wirbelnde, organische Muster; sich ständig erneuernde
Ansichten, wie die Darstellungen einer Fibonacci-Folge, füllten den Schirm.
Was immer hier vor sich gehen mochte, es war eindeutig mehr als gewöhnliche Sabotage.
Und dann kam ihm der zündende Gedanke – er sah eine Möglichkeit, sein Leben doch noch zu retten.
Die Datenspeicher der Piri waren so chaotisch und unübersichtlich, dass es ihm nicht schwerfallen würde, sein eigenes Werk darin zu sabotieren. Ein wenig von dem, was er entwickelt hatte, konnte er den Bandati überlassen, doch den Rest wollte er vernichten und behaupten, er sei während des Flugs von Nova Arctis ruiniert worden. Immerhin hatte das Schiff nur mit knapper Müh und Not einen Nova-Ausbruch überlebt – was konnte man da anderes erwarten?
Mit genügend Zeit und Zugang zum Wrack wäre es ihm möglich, die kompletten Protokolle zu rekonstruieren. Und so lange am Leben zu bleiben.
Irgendwo in den Tiefen des Schiffs erklang ein knarrendes Geräusch. Corso erstarrte, doch danach trat abermals Stille ein. Es gelang ihm, sich wieder zu entspannen. Schließlich war das Schiff gehörig lädiert, und es wäre noch viel ungewöhnlicher gewesen, wenn sich darin überhaupt nichts bewegt hätte, besonders während der Phasen, in denen es innerhalb des Kraftfeldes hin und her schaukelte.
Dann vernahm er dasselbe Geräusch noch einmal, es hörte sich verdächtig danach an, als bewege sich jemand im hinteren Teil des Schiffs. Corso spähte in die Dunkelheit und sagte sich, dass er hingehen und herausfinden müsse, was diese Laute erzeugte, und wenn nur, um seine Nerven zu beruhigen.
Er brachte das Herunterladen von bestimmten Fragmenten der Protokolle zu Ende und vernichtete den Rest. Dann begab er sich in den rückwärtigen Bereich der
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