Lichtzeit - Gibson, G: Lichtzeit - Nova War
Hauptkabine, bückte sich und linste durch eine der engen Kriechröhren, die in das
Schiffsheck führten. Er konnte den Eingang zu Dakotas persönlichem Schlafquartier sehen und einen anderen schmalen Gang, durch den man in die hintere Frachtsektion und den Maschinenraum gelangte.
Ein Schatten bewegte sich.
Das ist lächerlich. Ich sehe schon Gespenster.
Es gab nur eine Möglichkeit, um sich zu vergewissern, was los war.
Er robbte ein Stück weit durch das enge Kriechrohr und spähte in die Richtung, in der der Maschinenraum lag, aber außer einen Lichtschimmer, der durch den Hüllenbruch sickerte, vermochte er nichts zu entdecken.
Wenige Minuten später quetschte er sich gegen eine Kücheneinheit direkt neben dem Eingang zu Dakotas Schlafquartier. Wieder hörte er das Geräusch, als würde sich etwas verlagern. Die Notsysteme waren immer noch die einzige Lichtquelle, und das bisschen, was er sehen konnte, war in einen dunkelroten Glast getaucht, der die schwarzen Schatten höchstens noch vertiefte.
Das ist idiotisch, redete er sich ein. Hier ist niemand. Er zwängte sich in das Schlafquartier hinein und blickte sich um. Die einzige schmale Koje hatte sich aus ihrer Verankerung gelöst und war heruntergeklappt, Bettzeug und noch mehr Kleidungsstücke über die ganze Kabine verteilend. Er setzte sich auf die Koje und starrte zur Decke hinauf.
Er war eindeutig ein Opfer seiner überreizten Fantasie. Hier gab es keine ungewöhnlichen oder gar unheimlichen Vorgänge. Seufzend wollte er wieder von der Koje aufstehen -
Versteckte sich da jemand in der Ecke der Kabine?
In halb geduckter Stellung verharrte er und stierte in die Richtung, in der eine hohe, schmale Nische in die Wand eingelassen war. In der Aussparung befand sich irgendein eingeölter Mechanismus, der in der Notbeleuchtung fettig glänzte.
Er hätte gar nichts bemerkt, wäre die Silhouette nicht plötzlich aus der Mulde hervorgetreten.
Die Gestalt näherte sich ihm; sie besaß die Form eines Mannes, ohne jedoch menschlich zu sein. Zu seiner maßlosen Verblüffung blickte er auf die glatten, konturlosen Züge und die nicht ganz echt wirkende Haut und Muskulatur einer maschinellen Person.
Seine Kinnlade sackte herunter, als er begriff, was er da anstarrte. Das ist ein gottverdammtes Sexspielzeug!
Die Figur bewegte sich auf die Tür von Dakotas Schlafquartier zu. Aus ihrem Rückgrat ragten Metallröhren, die sie mit der Nische verbanden, in der sie zweifellos den größten Teil ihrer Existenz verbrachte. Diese Röhren verhinderten, dass sie sich zu weit von der Mulde, die sie beherbergte, entfernte.
Allerdings hatte sich die Gestalt jetzt mitten zwischen ihn und dem einzigen Ausgang aus der Kabine postiert.
»Dakota?«, fragte die Figur, Corso ins Visier nehmend.
Sie sprach unverkennbar mit Piris Stimme. Und obwohl er fest davon überzeugt war, dass seine Fantasie ihm einen Streich spielte, hörte Corso einen quengelnden, beinahe kindlichen Unterton heraus.
»Nein, Piri, ich bin’s«, antwortete Corso und veränderte seinen Standpunkt, um die Entfernung zwischen sich und der Gestalt zu vergrößern. Wieso fürchte ich mich überhaupt vor diesem Ding?, wunderte er sich. Ich habe nicht erwartet, etwas in dieser Art hier vorzufinden, aber davor braucht man doch wohl keine Angst zu haben. Er blickte hinunter auf das Glied der Figur, das zwischen den glatten Schenkeln baumelte. Das wirklich Beunruhigende daran war, dass es nicht mehr so schlaff erschien wie noch vor wenigen Augenblicken.
»Dakota«, wiederholte die Gestalt, und Corso zog in Betracht , an ihr vorbei zum Ausgang zu stürmen, aber er hatte keine Ahnung, wie schnell oder stark diese Maschine war. Sie sah aus, als könnte sie einen ernstzunehmenden Gegner darstellen.
»Piri! Ich bin es, Lucas Corso. Ich habe dich gerade um Erlaubnis gebeten, an Bord kommen zu dürfen, erinnerst du dich?«
»Ja. Ich erinnere mich. Du bist Lucas Corso.«
»Ich genieße uneingeschränkten Zugang zu den Systemen, Piri. Erinnerst du dich? Dakota hat mir diese Privilegien gewährt.«
»Ja. Nein … bitte warte.«
Die Maschine legte eine Pause ein, als sei sie unschlüssig, und Corso beschlich ein leises Unbehagen. Wer zum Teufel hatte schon mal von einer vergesslichen KI gehört? Schließlich waren diese Apparate ja nicht wirklich intelligent. Das Herzstück von Piris Persönlichkeit war zum Beispiel ein Turing-Gerät, schlicht und simpel, so komplex die Reaktionen des Schiffs gelegentlich auch
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