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Liebe 2.0

Liebe 2.0

Titel: Liebe 2.0 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mareike Giesen
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den Nachrichten, neben ihm eine mir unbekannte, leidlich
hübsche Blondine Anfang zwanzig, wahrscheinlich eine neue Praktikantin. Und
dann kommt auch schon Thomas, der Chef vom Dienst, standesgemäß am Kopf der
Tafel und mit dem obligatorischen Auftragsstapel bewaffnet.
    „… 8 Uhr 15
Beitrag Igelwinterschlaf, 8 Uhr 25 Werbeblock, 8 Uhr 30 Nachrichten…“
    Manuels Bericht
nähert sich langsam aber sicher dem Ende, wobei Thomas jedoch der Einzige zu
sein scheint, den das überhaupt interessiert. Konzentriert starrt er auf den
Zettel vor sich und notiert dabei beständig Sachen, fast schon vorbildlich.
Vielleicht spielt er aber auch nur Käsekästchen gegen sich selbst…
    Apropos
intellektuelle Herausforderung: Der Beitrag über die Igel war von mir! Denn
weil sich nicht nur der Sommer, sondern mit ihm auch das Sommerloch bis in den
Herbst verschoben hat, durfte ich mich gestern auf den Weg zum nächstgelegenen
Forstbezirk machen und dort einen leicht verpeilten, dafür aber sehr herzlichen
diplomierten Forstwirt über die Folgen des warmen Wetters für den Winterschlaf
einheimischer Tiere befragen. Was ich dann auch getan habe. Und um das Thema
„Klimawandel“ wirklich von allen Seiten zu beleuchten, habe ich anschließend
sämtliche Kaufhäuser abgeklappert und mich nach den wirtschaftlichen Einbußen
im Wollpullover-Verkauf erkundigt. Investigativjournalismus light . Wäre
es nicht mein eigenes Leben, ich müsste drüber lachen.
    Ich blicke zu
Max herüber, seines Zeichens zweiter Praktikant und ebenfalls von der
Frühschicht gezeichnet. Er sieht heute um Einiges älter aus als sonst, aber die
gefühlten fünfundzwanzig Jahre stehen ihm gar nicht mal schlecht. An seiner
zusammengesunkenen Haltung erkenne ich, dass auch er wenig zu lachen hat – und
das, obwohl der vor ihm stehende Kaffee verdächtig nach echten Bohnen riecht…
Meine Miene verfinstert sich leicht, die Stimmung droht zu kippen.
    Schnell wende
ich den Kopf nach links zu dem mir liebsten Gesicht von Totallokal . Es
gehört Astrid und wirkt mit seinem goldblonden Pagenschnitt, den runden Wangen
und der lustigen Stupsnase allerliebst, beherbergt aber das vorlauteste
Mundwerk, das mir je begegnet ist. Astrid ist, ebenso wie ich, freie
Mitarbeiterin, und als sie meinen Blick bemerkt, gelingt ihr immerhin ein
schiefes Grinsen, bevor sie direkt wieder in ihren morgendlichen
Energiesparmodus zurückfällt. Auch Katja und Marek, einmal Redaktion und einmal
Nachrichten, die neben Astrid sitzen und damit die heutige Runde komplettieren,
wirken nicht wirklich lebhafter. Für einen Außenstehenden mag das Ganze ein
bisschen nach der Uri Geller-Show aussehen: Neun Leute starren dumpf vor sich
hin und warten darauf, dass Thomas, der Hypnotiseur vom Dienst, mit dem Finger
schnippt und sie erwachen. Um dann solch bescheuerte Dinge zu tun wie
Igelinterviews halten. Es geht doch nichts über Regionalfunk!
    „…9 Uhr
Nachrichten“, schließt Manuel seinen Bericht und wirft dem Chef vom Dienst pro
forma einen gespielt erwartungsvollen Blick zu, den dieser jedoch gänzlich
ignoriert. Thomas ist immer noch völlig in seine Notizen versunken –
anscheinend ein Fall von Selbsthypnose –, und so ist es schließlich Nathalie,
die das Wort ergreift. „Wenn ich kurz etwas ergänzen darf…“
    Bereits ihr
pseudo-höflicher Einstieg ist mit Zischlauten durchsetzt und klingt so ganz
anders als Nathalies Säuseln im Radio. Das verheißt nichts Gutes… Meine
Damen und Herren: Nathalie live – unplugged. Schon oft habe ich
überlegt, im Konferenzzimmer ein „On Air“-Schild anzubringen, das man im
Notfall einschalten kann, wenn die Damen und Herren Moderatoren mal wieder
ausfallend werden. Denn dass man sich auch abseits des Äthers benehmen kann und
sollte, leuchtet hier den wenigsten ein. Neben dem Thema „Herbstdepression“
könnten wir auch eine komplette Wochenserie zu „Hilfe, ich habe zwei
Persönlichkeiten!“ senden, ohne auch nur einen Fuß vor die Redaktionstür zu
setzen. – Ich will ja keine Namen nennen… Aber wie zu erwarten, legt Nathalie
auch schon los, bevor Thomas überhaupt sein Okay geben kann. Ihr heutiges
Opfer: Max. 
    „Beim Thema ‚Kino-Sondervorstellung’
möchte ich einmal nachfragen, was Max da heute Morgen für eine Scheiße
abgezogen hat? Das nennst du Sendeassistenz? Ehrlich, so können wir nicht
arbeiten! Wie stellst du dir das vor?! Wir haben einen Sendeplan! Wir müssen
uns auf dich verlassen können!! Das geht so

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