Liebe am Don
beiden nur nach Stunden zählte, und keiner konnte das Unglück abwenden, das nach den Gesetzen der Logik folgen mußte.
»Ich habe eine Idee, Söhnchen«, sagte der alte Babukin. Evtimia wusch die Salatblätter in einem Holzkübel und schnaufte dabei. Anton Christoforowitsch zeigte mit dem Daumen auf sie. »Sie glaubt mir nicht, noch bevor ich gesprochen habe.«
»Leg los – was für eine Idee?«
»Wir schicken eine Meldung nach Wolgograd. Einige von uns – sagen wir ich, Kalinew und Klitschuk – haben am Ufer des Flusses, neun Werst südlich von hier, den verlassenen Wagen gefunden. Und die Kleider der beiden am Ufer. Wer logisch denkt, weiß sofort: Aha, sie sind ertrunken!« Babukin blickte triumphierend auf Evtimia, die in dem Salat wühlte wie ein Bäcker im Brotteig. »Ist das eine Idee, Freunde?«
»Das Auto wurde vergraben«, sagte Kolzow.
»Dann graben wir es wieder aus, waschen es und stellen es ans Ufer.«
»Die Kleider Jelenas sind verbrannt bis auf die, die sie anhatte.«
»Dann graben wir sie auch aus und legen sie nackt ins Grab.«
Das war der Augenblick, wo Babukin so flink wurde wie in jungen Jahren. Er rannte aus dem Zimmer und entging nur knapp einem Stiefel, den Kolzow wortlos gegen seinen Kopf schleuderte.
»Welch ein Undank«, schrie Babukin draußen im Vorgarten und hob die Fäuste klagend in den Himmel. »Da zergrübelt man sich den Kopf und wird behandelt wie ein impotenter Bock!«
Aber nach einer Stunde war er wieder bei den Kolzows und saß auf der Bank in der ›schönen Ecke‹.
»Eine neue Idee –« sagte er und blinzelte fröhlich über seine ungebrochene Geistestätigkeit.
»'raus!« brüllte Kolzow und zeigte auf die Tür.
»Hör mich erst an, Söhnchen!« schrie Babukin und umklammerte den Tisch, als wolle man ihn wegtragen. »Es ist eine gute Idee. Ich habe mit dem Sattler Luschkow darüber gesprochen. Er ist einverstanden. Er wird unter Eid aussagen, daß er vorgestern das Auto Jelenas in Sirolinskij gesehen hat. Der Deutsche hat ihm sogar zugewinkt, wird er aussagen.«
»Und dann fragen sie ihn mehr, fragen kreuz und quer, und der gute Luschkow fängt sich in dem Gestrüpp der Fragen. Ausgerechnet Luschkow. Ein Kuhschwanz ist klüger als er!«
Beleidigt zog Babukin ab. Aber bereits nach knapp einer weiteren Stunde stand er wieder in der Tür des Wohnzimmers. Evtimia stieß einen hellen Laut aus, der Kolzow aus dem Nebenraum herbeirief, wo er gerade das Brustgeschirr der Troika einfettete. Ohne zu fragen, warf er Babukin die Bürste an den Kopf, aber der Alte wich ihr aus und kam mutig ins Zimmer. Er hatte seinen breiten Kosakensäbel bei sich und legte ihn mit einem Krach auf den Tisch.
»Ihr könnt mir den Kopf abschlagen«, sagte er, »wenn ich diesmal nicht eine gute Idee mitbringe. Jawohl, ich halte still! So sicher bin ich mir.«
»Er ist wie eine Laus, die im Pelz spazierengeht«, seufzte Kolzow und lehnte sich an die Wand. »Heraus mit der Flohidee.«
»Wir schicken ein Telegramm –«
Wortlos tat Kolzow ein paar Schritte, stand am Tisch, nahm den alten blankgeputzten Säbel auf und wog ihn in der Hand. Die Augen des alten Babukin wurden trüb.
»Ein Telegramm aus Wolgograd –« schrie er und legte beide Hände über seinen Schädel.
Kolzow hob den Säbel. Evtimia drückte die Schürze an den Mund und starrte ihren Mann an. »Du spaltest ihn mittendurch«, sagte sie laut. »Dimitri Grigorjewitsch, denk daran, daß ich gestern die Dielen geschrubbt habe!«
»Er wird nicht bluten«, sagte Kolzow dumpf. »Er besteht zu neunzig Prozent aus Luft.«
»Ein Telegramm aus Wolgograd!« heulte Babukin. »Der Magazinverwalter Rebikow fährt morgen in die Stadt. Er muß in der Zentrale die neuen Listen durchsehen und seine Bestellungen aufgeben. Freundchen, habe ich zu ihm gesagt. Wir sind alle mitschuldig an dem, was gewesen ist, wir haben alle unser Teil getan, nun muß es auch gemeinsam weitergehen. Wenn du schon in Wolgograd bist, dann kannst du auch ein Telegramm im Namen Jelenas aufgeben und den Genossen in Moskau mitteilen, daß du gut angekommen bist. Das wendet alles Unglück ab von Perjekopsskaja. Und was sagt Rebikow? Einverstanden, Alterchen. Ich tue es!« Babukin schielte zu Kolzow und den hochgehobenen Säbel. »Ist das eine Idee?«
Kolzow ließ den Säbel sinken und legte ihn zurück auf den Tisch. Dann strich er sich über seinen Schnurrbart und schob die Unterlippe vor.
»Väterchen –« sagte er nachdenklich. »Da ist etwas dran. Man
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