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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sollte es überdenken. Ein Telegramm –« Er ging zum Schrank in der anderen Ecke, holte eine Flasche Wodka heraus und goß Babukin ein großes Glas voll. Mindestens fünfzig Gramm waren es. Das Urväterchen setzte an, machte die Lippen weit und ließ das Wässerchen in sich hineinlaufen wie in einen Eimer. Dann schmatzte er, gab einen Rülpser von sich und schielte in die Ecke des Herdes, wo ein Stück geräucherten Specks an einem Haken hing.
    »Ein alter Körper braucht etwas Fett«, sagte er. »Weiß übrigens einer, wie alt ich bin? Ich weiß es selbst nicht, Freunde –«
    Evtimia schnitt ihm einen Streifen Speck ab, und Babukin begann, den Speck zwischen seinen Zahnstümpfen zu zermanschen, bis er so breiig war, daß er ihn hinunterwürgen konnte. Er streckte dabei den Hals und sah aus wie ein Storch, der einen Frosch verschluckt.
    »Ein Telegramm«, sagte Kolzow noch einmal. »Und es muß einen Wortlaut haben, den die Genossen in Moskau glauben. Das muß beraten werden.«
    Er rannte aus dem Haus, ritt zum Parteihaus und ließ die Sirene heulen.
    Man muß wissen, was es bedeutet, wenn in Perjekopsskaja die Sirene heult. Bisher hatte sie ihre gellenden Laute nur von sich gegeben, wenn es um den Bestand des Dorfes ging: 1949, als vier Häuser brannten und der Herbstwind die Funken über die anderen Dächer trieb. Da hockten die Einwohner von Perjekopsskaja auf ihren Häusern und übergossen das Stroh mit Wasser. Aber trotzdem brannten noch sieben Anwesen ab, und sogar die Kirche fing Feuer, so laut Vater Ifan auch betete. Erst als zehn Männer eine Schlauchleitung vom Don herauf gelegt hatten und Wasser über die Kirche pumpten, gelang es, dem Feuer die Kraft zu brechen. Ein anderes Mal heulte die Sirene 1956, als der Don im Frühjahr, unter einem plötzlichen, warmen Wind, aufbrach und sich riesige Wasser- und Eismassen auf das Dorf zuschoben. Damals konnte man nichts anderes tun, als Perjekopsskaja zu räumen und aus sicherer Entfernung abzuwarten, ob es elend absoff und die Häuser vom Strudel des Hochwassers weggerissen wurden. Aber auch 1956 hatte der Himmel ein Einsehen und ließ das Dorf leben. Ja, und dann heulte die Sirene jährlich zweimal … am Tage der Oktoberrevolution und am Geburtstag Lenins, dem 22. April.
    Man sieht – es war immer ein trauriger Anlaß.
    Von den Feldern, aus den Gärten, aus der Steppe jagten die Parteigenossen heran. Zuerst blickten sie zum Don … der floß träge und friedlich dahin, – dann suchten sie nach Feuerschein, aber der Himmel war frühlingshaft blau und wie mit Samt überspannt.
    »Dimitri Grigorjewitsch ist verrückt geworden!« schrien sie sich zu und ritten zum Parteihaus, auf dessen Dach noch immer die Sirene heulte. Kolzow saß in seinem großen Dienstzimmer und schwieg so lange, bis die meisten Genossen versammelt waren. Dann stellte er die schreckliche Sirene ab und zeigte auf den alten Babukin, der etwas schwankend von dem schnell getrunkenen Wodka neben ihm auf einem Schemel hockte wie ein überführter Hühnerdieb.
    »Anton Christoforowitsch hatte eine Idee –« sagte Kolzow. »Ihr wißt, Genossen, daß der Fall Jelena Antonowna noch nicht beendet ist, ja er beginnt erst. Wir alle haben mitgewirkt, verdammt, und uns allen geht es an den Kragen, wenn die Wahrheit herauskommt. Wir müssen verhindern, daß der Verdacht in Perjekopsskaja bleibt. Er muß abgelenkt werden, so geschickt, daß keiner auf den Gedanken kommt, hier sei etwas faul. Tagelang habe ich mir den Kopf zermartert, und da kommt Väterchen Babukin und hat eine Idee.«
    »Jawohl!« schrie der Alte stolz. »Ich hatte sie! Ein Kosak findet immer ein Pferd!«
    »Unser Freund Rebikow reist morgen nach Wolgograd«, sagte Kolzow und sah den Magazinverwalter an. Rebikow wurde rot bis hinter die Ohren und bohrte den Zeigefinger gegen seine rechte Wange.
    »Das stimmt«, rief er dazwischen. »Aber das mit dem Telegramm … Dimitri Grigorjewitsch, ich habe nur meine Zustimmung gegeben, um den keifenden Alten loszuwerden. So etwas kann man doch nicht machen –«
    »Zerreißt ihn!« brüllte der alte Babukin und sprang auf wie ein Gummimännchen. »Nagelt ihn an die Wand! Ein Feigling ist er, ein Verräter!«
    »Worum geht es eigentlich?« fragte Kalinew, der Schuster. »Was ist das für ein Telegramm?«
    »Rebikow soll in Wolgograd ein Telegramm aufgeben –« sagte Kolzow, aber Rebikow sprang dazwischen und fuchtelte mit den Armen durch die Luft.
    »Die Idee ist blödsinnig!« rief er erregt.

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