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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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»Ich soll die Genossen in Moskau betrügen. Ich, ein staatlicher Angestellter! Eine Vertrauensperson der Partei! Ein Magazin Verwalter! Ich soll meinen Kopf in die Schlinge legen? Keiner kann das verlangen.«
    »Hängt ihn auf!« heulte Babukin und schwankte trunken durch das Zimmer. »Wo ist ein Strick? Wer leiht mir einen Strick? So etwas wie Rebikow hätte man 1905 in der Scheiße erstickt!«
    »Genossen, uns allen liegt ein Strick um den Hals!« sagte Kolzow und hieb mit der Faust auf den Tisch. »Wenn die Genossen aus Moskau nach Perjekopsskaja kommen und ihre Untersuchungen beginnen … ahnt ihr überhaupt, was uns hier geschieht? Wer ist schon einmal verhört worden? Hand hoch!«
    Es zeigte sich, daß alle Alten schon einmal in einer Zelle gesessen hatten und tagelang durch die Mangel einer mit tausend Fragen gefütterten Maschine gedreht worden waren. Die meisten in Woronesch, nach dem großen Vaterländischen Krieg, als man am Don glaubte, der Sieg über die Deutschen bedeute auch ein wenig Freiheit für die Kosaken. Das hatte sich als Irrtum herausgestellt, und die Gefängnisse waren für Monate überfüllt, bis die alte Ordnung wiederhergestellt war. Nur die Jungen kannten keine Verhörmethoden aus Moskau, aber sie hatten genug darüber gehört.
    »Der Genosse Rebikow wird aus Wolgograd ein Telegramm nach Moskau an die Dienststelle Jelena Antonownas schicken. Das ist sicher.«
    »Nein!« bellte Rebikow dazwischen. Schweiß hatte sich auf seiner Glatze gesammelt. Er stand im Kreis seiner Freunde und sah keinen anderen Ausweg mehr, als an die Logik zu appellieren. »Genossen, das ist unmöglich! Laßt mich aus diesem Plan heraus! Natürlich werde ich schweigen – aber verlangt keine Taten von mir.«
    »Rebikow wird also in Wolgograd ein Telegramm aufgeben«, fuhr Kolzow ungerührt fort. »Oder er wird es nicht mehr wagen, nach Perjekopsskaja zurückzukommen. Es geht jetzt nur noch um den Wortlaut, Genossen, und wir werden ihn gemeinsam finden. Ich schlage als erster einen Text vor, den ich gut finde. Hört zu –«
    Es dauerte eine Stunde, bis man sich auf das Telegramm geeinigt hatte. Dann ritten die Genossen wieder weg. Rebikow, dessen Magazin nur ein paar Schritte vom Parteihaus entfernt lag, ging zu Fuß. Er machte den Eindruck eines Schwerkranken, seufzte bei jedem Schritt und holte jedesmal tief Atem. In der Tasche seines Anzuges knisterte der Telegrammtext … ihm war es, als lache der Teufel aus seiner Hose.
    »Ein raffinierter Bursche, unser Kolzow«, sagte auch der Schuster Kalinew, bevor er sich von dem Sattler Luschkow verabschiedete. »Er macht uns immer mehr zu Mittätern. Es sollte mich nicht wundern, wenn er sich auch Njuschas Hochzeit von uns bezahlen läßt …«
    Am nächsten Morgen fuhr der Magazinverwalter Rebikow mit seinem Pferdewagen zur Bahnstation Logowskij und stieg dort in den Zug nach Wolgograd. Drei Burschen aus dem Dorf begleiteten ihn und sorgten dafür, daß er seinen Auftrag nicht vergaß. »Bring eine Quittung von der Post mit!« sagten sie, als Rebikow mit saurer Miene im Zug saß. »Eine gute Reise, Brüderchen –«
    Dann pfiff die Lokomotive, Rebikow lehnte sich zurück, wischte sich mit einem großen Tuch über die Glatze und starrte vor sich hin. Sein Gegenüber war eine Bäuerin, die im Gepäcknetz drei Körbe mit lebenden Hennen abgestellt hatte und kaum, daß der Zug anruckte, aus einem Bündel ihr Essen schälte … dicke Zwiebeln, Ziegenkäse und einen Kanten Brot.
    Nach fünf Minuten roch es im Abteil wie nach hundert Schweißfüßen. Rebikow, ein feinsinniger Mensch, verließ seinen Platz, stellte sich in den Gang und öffnete das Fenster.
    In seiner Hosentasche knisterte das Papier mit dem Telegrammtext. Eine dunkle Ahnung sagte ihm, daß er einem großen Schicksal entgegenfuhr. Und dabei wollte er in Wolgograd nur die neueste Kollektion von Unterhosen, Büstenhaltern und Kittelschürzen aussuchen –
    *
    Oberstleutnant Rossoskij las zum viertenmal das Telegramm, das ihm eine Ordonnanz aus dem Funkraum gebracht hatte. Es war ein Telegramm von Jelena Antonowna aus Wolgograd, und es war ein Text, der eigentlich alles klärte. Trotzdem las es Rossoskij immer wieder durch und konnte nicht dem Gefühl entfliehen, daß irgend etwas daran nicht stimmte. Was es war, das konnte er nicht in Worte fassen … es war eben nur ein dummes Gefühl, ein bohrendes Mißtrauen, das Anklingen eines Geräusches wie bei einem hochempfindlichen Geigerzähler, der auch das

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