Liebe am Don
starrte hinauf in den sternenklaren Nachthimmel.
Was folgt nun, dachte er. Jetzt bin ich frei wie ein Vogel und gehetzt wie eine Ratte. Auch ich habe jetzt nichts mehr als die Liebe Njuschas.
Er schrak zusammen, als ihn eine Hand berührte.
»Sascha –«
»Njuscha –«
Sie sahen einander an und umarmten sich. Von den Birken her hörten sie rhythmische Laute … die Männer stampften die Erde über dem Grab fest.
»Hast du Angst vor der Zukunft?« fragte sie. Er nickte.
»Ja.«
»Ich auch. Aber du bist da, und ich bin da, und alle sind sie da, das ganze Dorf Perjekopsskaja. Wir werden es schaffen, Sascha –«
»Wir werden ein Leben wie die Wölfe führen.«
»Aber wir werden zusammen sein. Ist es nicht gleichgültig, wo das ist? Eine Hütte, ein Höhle, unter einem Baum, in einem Sumpf, im Schilf, in den Wäldern, in einem Keller, in einer Grube unter den Dielen – irgendwo, Sascha … aber wir sind zusammen. Ein ganzes Leben lang …«
Sie legte den Kopf an seine Brust, umfaßte ihn und weinte.
Vom Grab kam Kolzow zurück, über der Schulter ein Bündel Schaufeln. Er warf sie in den Karren und wischte sich die Hände an den Hosenbeinen ab.
»Sie pflanzen eine junge Birke auf das Grab«, sagte er. »Der Vorschlag kam von Väterchen Ifan. ›Es ist das beste Kreuz‹, meinte er. Man muß es ihnen lassen: Die Pfaffen haben manchmal gute Ideen –«
Er stieg auf den Bock, zündete sich eine selbstgedrehte Zigarette an und wartete, bis die anderen Männer zurückkamen.
Dann ritten sie durch die Nacht heim nach Perjekopsskaja, trennten sich schweigend mit Händedruck vor dem Parteihaus, und jeder kehrte nachdenklich in sein Haus am Don zurück.
Jelena Antonowna hinterließ so wenig Spuren, als habe sie nie gelebt.
S ECHZEHNTES K APITEL
Von dieser Nacht an begann in Perjekopsskaja das große Warten. Kolzow hielt sich jetzt mehr im Parteihaus als in seinem eigenen Haus oder auf seinen Weiden auf. Evtimia brachte ihm sogar das Essen ins Büro und berichtete ihm, was außerhalb geschah. Njuscha und Bodmar versorgten die Tiere und den Stall, den Garten und die Fischreusen im Don. »Er ist ein fleißiger Mensch«, sagte sie lobend. »Wer hätte das gedacht? Ein deutscher Zeitungsschreiber! Er versteht sogar etwas von Pferden.«
Kolzow nickte wehmütig und starrte auf den Fernsprechapparat. Von dort kam die erste Gefahr. Die Anfrage irgendeiner Dienststelle: Wissen Sie, Genosse, wo Jelena Antonowna Dobronina geblieben ist? Sie war zuletzt in Ihrem Dorf –
Das Duell war natürlich am nächsten Morgen abgesagt worden. Einmal war Granja Nikolajewitsch noch in Wolgograd, hockte in einer Klinik und ließ sich sein Gesicht behandeln, zum anderen hatte jeder im Dorf dafür Verständnis, daß jetzt andere Sorgen vorherrschten als der Kampf um ein Mädchen. Da man aber den Festplatz aufgebaut hatte und der Fleischer Kotzobjew nicht auf seinen heißen Würstchen sitzenbleiben wollte und auch der alte Babukin sich auf ein Tänzchen freute, beauftragte man den Popen Ifan, in alten Büchern nachzusehen, ob es für diesen Sonntag einen Grund zum Feiern gab. Väterchen Ifan hatte Erfolg mit seinen Studien: Er entdeckte in einem uralten Kirchenbuch, daß an dem Datum dieses Sonntags im Jahre 1689 der Kosaken-Ataman Jefim Alexandrowitsch Jelenik von einem siegreichen Angriff zurückgekommen war und hundert gefangene Mongolen mitbrachte. Da man fein dosiert immer nur zehn Gefangene hinrichtete, hatte man zehn Tage lang eine wunderschöne Feier, an derem Ende das ganze Dorf samt zwei Schwadronen Kosaken besoffen am Ufer des Don lagen. Dabei sollen sogar drei Kosaken ertrunken sein, weil sie dachten, der Don sei mit Wodka gefüllt.
»Das ist weit hergeholt«, sagte Kolzow und runzelte die Stirn, als Vater Ifan die wilde Geschichte vorlas. »Aber was bleibt uns anderes übrig? Ich erlaube die Feier. Nennen wir sie den ›Tag des tapferen Jelenik‹.«
Und so bekam Kotzobjew seine Würstchen los, man tanzte auf dem Podium, auf dem sich eigentlich Granja und der Deutsche den Schädel einschlagen sollten, und der alte Babukin, dieser Lüstling, schlich durch die Reihen der Weiber, lachte meckernd und faßte ihnen an die Brüste. Da er bereits eine sagenhafte Gestalt war, gab man ihm keine Ohrfeigen, sondern ein Gläschen Wodka, bis er sich wie ein Hund zusammenrollte, neben das Podium legte, zum Abschied von der Welt noch einmal unter die Röcke der tanzenden Weiber blickte und dann einschlief.
Kolzow aber saß in seinem
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