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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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leuchtete die Wand hoch. Bodmar wandte den Kopf zu Njuscha. Ihr Gesicht war ganz nah, und es war verzerrt vor Todesangst.
    »Er ist mein Freund«, flüsterte er Njuscha zu. »Er würde mich niemals töten.«
    »Der Luftschacht ist sauber«, rief Borja. »Er zieht gut. Vielleicht werdet ihr frieren … aber ersticken werdet ihr bestimmt nicht.«
    Er tappte zurück und schob die Hand unter Njuschas gesenkten Kopf. »Und frieren braucht mein Söhnchen nicht, denn er hat ja dich –« Er setzte sich auf den ersten Sarg und steckte sich seine erloschene Pfeife wieder an. Die modrige Luft vermengte sich mit dem beizenden Rauch aus Borjas Pfeifenkopf. »Jetzt werden sie auch wieder nach diesem Major Tumow suchen«, sagte er. »Und dem habe ich den Schädel gespalten. Sascha, wir sind miteinander verbunden, als hätten wir nur ein Herz. Wir müssen überlegen, wie unser Leben weitergehen soll –«
    Zunächst aber versorgte Borja die beiden lebenden Toten mit Decken, Kissen und zwei alten, zerrissenen, aber dicken Matratzen. »Es liegt alles im Keller der Halle herum«, erklärte Borja. »Nichts wegwerfen, habe ich immer gesagt. Gepredigt wie ein Bischof habe ich's. Und sie haben mich ausgelacht, die Laffen. Früher, als noch nicht so viele starben, nicht weil die Ärzte dümmer geworden sind, sondern wir hatten hier weniger Menschen als heute, da legte man die Toten auf Seidenkissen und begrub sie mit ihnen. Welch ein Luxus! Was nutzt einem Toten Seide aus Taschkent? Borja, habe ich zu mir gesagt, das ist Verschwendung von Volkseigentum. Das ist gegen die kommunistische Lehre. Und so habe ich die besten und schönsten Kissen aus den Särgen genommen und aufgehoben.« Er klopfte vier Kissen zurecht und legte sie auf die Matratzen und Decken zwischen die Marmorsärge. »Seht euch das an! Diese Pracht! Ihr werdet schlafen wie die Bojaren.«
    Bevor der eigentliche Betrieb auf dem Friedhof begann, hatte Borja die Gruft wohnlich ausgestattet. Er brachte noch zwei kleine Öllampen, einen Karton mit Brot, Butter, Marmelade und Dauerwurst, erklärte Bodmar den Mechanismus, der die schwere Grabplatte bewegte, und küßte dann Njuscha auf beide Wangen.
    »Nur vorübergehend ist es«, sagte er. »Selbst das Gras wartet unter dem Schnee, bis der Frühling kommt. Ein paar Tage nur, bis sie sich beim KGB die Absätze krummgelaufen haben –« Dann wandte er sich an Bodmar und gab ihm eine schallende Ohrfeige. Sie war so stark, daß Bodmar gegen den Sarg taumelte und den Kopf schüttelte wie ein nasser Hund. »Das war für den Kummer, daß du ein verfluchter Deutscher bist!« schrie Borja. »O verdammt, ich habe geweint, als ich die Bilder sah. Jawohl, geflennt wie ein Weib habe ich, die Augen brannten mir, und die Tränen liefen mir zwischen den Zähnen in den Mund. Aber ich liebe dich wie einen Sohn … wer auch immer dafür zuständig ist, er wird mir das verzeihen –«
    Er kletterte aus der Gruft, ließ die schwere Steinplatte zuklappen, verteilte Laub und Zweige darauf und rannte zu seinem Arbeitsplatz.
    *
    An diesem Morgen war Oberstleutnant Rossoskij pausenlos im Einsatz. Zuerst rief das Krankenhaus Nr. 1 an. Die Schwester Melanie Polowna, die Leichenwäscherin Glawira und die Genossin Leiterin des Fraueneinsatzes wollten eine Aussage machen. Sie erwarteten den hohen Offizier aus Moskau im Erholungsraum Nr. 3 der Männerstation. Er war geräumt worden, die zwei Billardtische und die zehn Schachbretter standen verwaist herum, es war heiß in dem großen Zimmer, aber nicht deshalb schwitzten alle Anwesenden, sondern eine Aussage vor dem KGB ist erschöpfender als ein Tänzchen mit des Teufels Großmutter. Oberstleutnant Rossoskij machte es gnädig … der Jagdhund hatte die Spur gewittert, nahm sie auf, verbellte nicht die, die ihn hinführten, er wartete mit seinen Zähnen, bis er das Wild selbst gestellt hatte.
    »Sie hat bei uns gearbeitet«, sagte die Genossin Leiterin heiser vor Enttäuschung, daß ihr so etwas passieren konnte. »Njuscha Kolzowa, einen guten Eindruck hat sie gemacht.«
    »Bei mir in der Leichenwäscherei war sie … ein kräftiges, tapferes, fleißiges Mädchen«, sagte Glawira unter Aufbietung allen Mutes.
    »Mir hat man sie empfohlen«, dröhnte Melanie Polowna. Ihr Riesenbusen bebte gefährlich in der Halterung. »Der alte Volkow brachte sie an.«
    Rossoskij nickte. Die Spur verlief geradlinig. Aus dem Neubauviertel an der Wolga hatte er bereits einen Anruf notiert. »Die beiden Abgebildeten wohnen im Hause

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