Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Rossoskij ihm vorwarf. Verblüfft ließ sich der Direktor abführen. Die Neuerung, für etwas verhaftet zu werden, von dem man keine Ahnung hatte, lähmte ihn.
    Rossoskijs Räumungslauf wurde bei Borja jäh gebremst.
    Der Totengräber stand in einem flachen Grab, hackte die Erde los und warf die Schaufeln mit Erde in hohem Bogen über seine Schulter. Das war zwar eine falsche Arbeitsweise, denn so etwas kostet Kraft, und zur Seite schaufeln ist wesentlich einfacher, aber es sah schön aus und hatte außerdem den großen Effekt, daß Rossoskij von einem Hagel bröckeliger Erde überschüttet wurde, als er herantrat.
    »Sind Sie blind?« schrie Rossoskij, sprang zurück und klopfte seine gepflegte Uniform ab. Die ihn begleitenden Offiziere bekamen starre Gesichter. Es war bekannt, welch großen Wert Rossoskij auf sein Äußeres legte … er hatte sich in Wolgograd von der Kommandantur extra einen jungen Burschen zuweisen lassen, der nichts anderes zu tun hatte, als die Uniformen und Stiefel des Genossen Oberstleutnant zu putzen.
    Borja stellte das Schaufeln ein, drehte sich um und spuckte aus.
    »Aha! Da steht einer«, sagte er, kratzte sich den Kopf und griff nach hinten an die Arschbacken. »Wirklich, da ist nichts.«
    »Was soll da sein?« fragte Rossoskij voreilig.
    »Erstaunlich, erstaunlich!« Borjas Gesicht verzog sich wie in großem Schmerz. »Da habe ich doch meine Augen am Hintern verloren –« Er machte eine kleine Verbeugung und sagte sanft: »Entschuldigen Sie, Genosse. Ich muß sie vor dem Badezimmer vergessen haben. Sie vertragen nämlich kein Wasser.«
    Rossoskij drückte das Kinn an. Instinktiv spürte er: Hier ist die Jagd zu Ende. Dieser Trottel war die Endstation … von jetzt ab verliefen sich die Spuren wie im Wüstenboden versickerndes Wasser.
    »Du hast den Hilfstotengräber Sascha eingestellt?« fragte er mit Schärfe. Borja nickte mehrmals wie ein Tanzbär, der Zucker bekommt.
    »Ja, das habe ich. Kennst du ihn?«
    Rossoskij wurde rot. Die Offiziere lächelten verlegen.
    »Auch wenn Sie ein Idiot sind«, brüllte Rossoskij, »verlange ich Respekt vor der Uniform!«
    »Auch wenn ich nur ein Totengräber bin, verlange ich Respekt vor meinem Spaten!« brüllte Borja zurück. »Wenn Sie mich duzen, Genosse, nehme ich an, daß wir Freunde sind.«
    »Wo ist Sascha?« fragte Rossoskij. Seine Beherrschung war bewundernswert. Er senkte sogar die Stimme zum Ton einer normalen Unterhaltung. Das schien auch Borja friedlich zu stimmen; er kletterte aus dem Grab, hieb den Spaten drei Zentimeter vor Rossoskijs Stiefelspitzen in den Boden und wischte sich die Hände an den Hosen ab. Darauf griff er in die Tasche seines dreckigen Rockes, holte zerkrümelten Tabak und einen Fetzen Zeitung heraus und begann, eine dicke Zigarette zu drehen. Rossoskij sah ihm zu, ein wenig fasziniert, wie Borja den Zeitungsrand mit den Zähnen ausfranste, anfeuchtete, die dicke Tabakwurst schnell zwischen den Fingerkuppen drehte und dann das Papier beleckte. Die ganze Zeit schwieg er. Einen zigarettendrehenden Russen soll man nicht belästigen … auch Gott ist bei der Schöpfung nicht gestört worden, selbst vom Teufel nicht.
    Erst als die Zigarette brannte und Borja den ersten, tiefen, seufzenden Zug getan hatte, fragte Rossoskij weiter.
    »Wo ist Sascha?« wiederholte er.
    »Auf und davon. Ein Hundesohn, sage ich Ihnen. Ein Holzklotz, den man aufspalten sollte! Ein Mehlsack, gegen den die Katzen pissen! Kommt er doch heute daher, fein wie ein Herrchen, hat ein blondes Täubchen bei sich und sagt zu mir: ›Borja, ich gehe weg.‹ So einfach macht er sich das … ich gehe weg! Ich sage: ›Söhnchen, das geht nicht. Du hast eine Arbeit übernommen. Man wirft sie nicht hin, nicht solch einen Ehrenposten. Mit einer grünen Uniform auch noch. Die Witwen an die Särge führen, sie stützen und Beileid aussprechen, nur gute Worte über den lieben Verblichenen sagen und dann die Blumen um den Toten ordnen – das ist eine schöne Aufgabe, das ist praktizierte Nächstenliebe, das ist ein Beruf fürs Herz. Und da sagst du so einfach: Ich gehe weg! Wohin denn, wenn man überhaupt fragen darf?‹ Und was antwortet dieser krumme Affe? ›Väterchen, das geht dich und deinen Darm einen Dreck an. Ans Meer will ich, mich mit Njuscha sonnen, und statt Tote zu tragen, will ich warmes Fleisch streicheln.‹ Und das Weibchen kichert dabei und verdreht die Augen und wackelt mit dem Steiß wie eine Ziege.« Borja sog an seiner stinkenden

Weitere Kostenlose Bücher