Liebe am Don
ganz nebenbei den Reiseleiter Heppenrath, als sie im Hotel ›Wolgograd‹ angekommen waren und ihre Zimmer bezogen hatten. Sie standen auf dem langen Hotelflur, kritisch beobachtet von der Etagenbeschließerin Ljuba Boschowara.
»Heute nachmittag am Ehrenmal auf dem Mamajew-Hügel«, antwortete Heppenrath leise.
»Und Sie sind sich völlig sicher, daß er kommt?«
»Er hat es versprochen.«
»Man hat Sie eingeweiht, was von dieser Begegnung abhängt?«
»Ja.« Heppenrath zündete sich eine Zigarette an. Seine Finger zitterten. »Besteht wirklich keine Gefahr? Bedenken Sie … ich trage die Verantwortung für neunundvierzig Reisende. Neunundvierzig Ahnungslose, die fast zweitausend Mark bezahlt haben, um eine Rundreise durch Rußland zu machen.«
»Wenn Bodmar keine Schwierigkeiten macht –« Kallberg nahm aus der Schachtel Heppenraths eine Zigarette und blickte dabei hinüber zu der Etagenbeschließerin Boschowara.
»Warum sollte er?« fragte Heppenrath zurück. Er hatte sich noch nie so unwohl gefühlt. Ihm kam es vor, als beobachteten ihn hundert Augen aus hundert Ecken. »Müssen wir das alles auf dem Flur besprechen?«
»Hier ist der sicherste Ort. Einem Hotelzimmer traue ich nie ... alte Erfahrung.« Kallberg warf spielerisch das Feuerzeug in die Luft und fing es wieder auf. Dabei lächelte er der Boschowara so penetrant zu, daß sie mit zurückgeworfenem Kopf in ihrem Zimmer verschwand. »Wann fahren wir los?«
»In einer Stunde. Der Bus wartet schon vor dem Hotel. Ich habe mit Herrn Bodmar vereinbart, daß wir uns am Sockel der Siegesgöttin treffen, in der Säulenhalle. Ich habe auch noch einige Briefe seiner Redaktionskollegen aus Köln bei mir.«
»Und das betrachten Sie nicht als gefährlich?«
Heppenrath blies den Rauch seiner Zigarette pfeifend von sich. »Es sind nur Papiere … aber Sie sind ein Mensch.«
»Was gibt es Einfacheres, als einen Menschen auszutauschen?« Kallberg klopfte Heppenrath freundschaftlich auf die Schulter und lachte laut, damit die an der Tür lauschende Boschowara glaubte, sie erzählten sich einen kräftigen Männerwitz. »Ihnen kann gar nichts passieren, Heppenrath«, sagte er dann leise. »Sie sind mit neunundvierzig Personen eingereist, und Sie kehren mit neunundvierzig zurück. Die Auswechslung der Bilder in den Pässen besorge ich allein … spätestens übermorgen wird Bodmar sich bei Ihnen als Herr Kallberg melden.«
»Und die anderen Reisenden? Halten Sie die für Idioten?«
»Auch für sie gebe ich Ihnen eine Erklärung.« Kallberg lachte wieder schallend, was Heppenrath maßlos irritierte. Erst als er die Boschowara mit einem Stapel Wäsche im Hintergrund des Flures herumwatscheln sah, erkannte er den Sinn des grundlosen Humors. »Es gibt bei einem Deutschen einen neuralgischen Punkt, wo er zu allem bereit ist, wo er innerlich strammsteht und das Unmöglichste toleriert: sein national-völkisches Herz. Das sprechen wir bei unseren Reisenden an –«
»Und werden dadurch alle mitschuldig.«
»Es geht um Deutschland, Herr Heppenrath.«
Der Reiseleiter verzog das Gesicht, als habe er an Salmiak gerochen. »Bei mir können Sie sich solche schrägen Fanfaren sparen«, sagte er.
»Ich weiß. Aber Ihre Reisegruppe wird strammstehen. Ehrliche Sorge habe ich nur mit Bodmar. Am allerwenigsten gefällt mir dieses Weibsstück, dieses Betthäschen Njuscha. Kennen Sie die Madka?«
»Nie gesehen.«
»Es wird ein schweres Stück Arbeit kosten, ihn von ihr loszukoppeln.«
»Und Bodmar können Sie nicht mit Nationaltrompeten überzeugen.«
»Ich weiß.« Kallberg, der sich vorgenommen hatte, ab Sonntag Fjodor Alexejewitsch Prikow zu heißen und von Beruf Bergbauingenieur aus Asbest zu sein, schnippte die Asche seiner Zigarette in die hohle linke Hand, zerrieb sie zu Staub und blies ihn in den Flur. »Ich habe mit seinen Redaktionskollegen in Köln gesprochen. Ein merkwürdiger Mensch soll er sein … modern und doch verträumt, knallhart in seinen Reportagen und dann wieder voller Romantik. Eine fast schizoide Natur.«
»So würde ich ihn nicht sehen. Er weiß genau, was er will.«
»Sich in ein Don-Kosakenmädchen verlieben und in Rußland bleiben. Irrsinn! Das nennen Sie Realitäten?« Kallberg gab Heppenrath die Hand und nickte zu seinem Zimmer. »Es wird wirklich schwer werden, ihn ins Flugzeug zu bringen. Bereiten Sie sich darauf vor, einem leicht verstörten Kranken Unterstützung zu gewähren.«
»Keine Tricks, bitte.« Heppenrath hob beide Hände zur
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