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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Jeder Baum ist Fortschritt, wenn er zu Brettern verarbeitet ist.‹ Natürlich darfst du nicht in die Städte, Sascha. Nicht nach Irkutsk, Schigansk oder Magnetogorsk. Dort hocken wieder die Beamten, wollen Papiere sehen, ohne Papierchen bist du für sie kein Mensch. Aber in den Wäldern, da braucht man dich. Ach ja, es wird ein schweres Leben werden.« Er sah Njuscha an und klopfte ihr auf die Schenkel. »Sie kann arbeiten, das blonde Schwänchen. Eine vom Don ist sie. Der Taigawind wird sie nicht umblasen.«
    »Bestimmt nicht, Väterchen.« Njuscha legte den Arm um Bodmar. »Wann fahren wir, Sascha?«
    Die Taiga –
    Bodmar senkte den Kopf und blickte auf seine Hände. Der Entschluß war schwer. Zogen sie nach Osten in die unendlichen Wälder, dann gab es keine Rückkehr mehr in eine zivilisierte Welt. Dann würden sie sich eine Hütte bauen, irgendwo an einem rauschenden Fluß, einen Ofen aus Flußsteinen mauern und bis an ihr Ende leben wie die Tiere des Waldes. Vielleicht war das ein herrliches Leben … ein Teil der Natur sein, den Fluß und die Bäume und den weiten Himmel Bruder nennen und das Leben dahinströmen lassen wie die brausenden Wasser der Schneeschmelze. Arbeit gab es überall, da hatte Borja recht, und man verdiente auch in der Taiga so viel, daß man sich jedes Jahr neue Kleidung kaufen konnte, später vielleicht zwei Pferdchen und einen Wagen. Verstreut über das ganze Land standen die staatlichen Magazine … hier konnte man einkaufen, was das Herz begehrte, wenn man nur hinterher auch die Rubelchen auf die Theke legen konnte. Was will man mehr? Ein Haus, zwei Pferde, einen Wagen, eine fleißige, liebe Frau, ein Garten, in dem das tägliche Essen wächst, im Stall ein Schweinchen, eine Milchziege und einen Haufen Hühner mit zwei Hähnen … da hat man genug zu tun, das Leben ist ausgefüllt, und man kann am Abend seine Pfeife rauchen und sich ausruhen und weiß, was man getan hat. Macht das nicht stolz, Sascha?
    Bodmar atmete tief ein und aus. So denkt ein Russe, fühlte er, und ist ein glücklicher Mensch dabei. Und plötzlich erkannte er, daß er in einer anderen Welt verwurzelt war, daß er das Produkt anderer Generationen und Denkweisen war.
    Wo gibt es in den Wäldern einen Arzt, wenn eine akute Krankheit einen überfällt? Eine Blinddarmentzündung etwa oder eine Lungenentzündung, ein Beinbruch oder ein Unfall, einfache, dumme Masern … Wo war der nächste Arzt, wo die nächste Apotheke? »Dreihundert Werst, Genosse –«, würde man ihm sagen. »Da ist das Dorf Nowo Selkanskij. Da haben sie auch einen Arzt.«
    Dreihundert Kilometer … fast so weit wie von Köln bis Karlsruhe … um einen Arzt zu holen, ein Mittel gegen das Fieber, eine Tablette für den Kreislauf … Köln – Karlsruhe, wenn ein Blinddarm durchgebrochen ist … Köln – Karlsruhe, wenn Njuscha einmal ein Kind gebärt und einen Arzt dazu braucht.
    »Der Bart muß dichter sein«, sagte Bodmar ausweichend. »Je länger wir uns verstecken, um so weniger wachsam wird die Miliz.«
    »Da hat er recht«, sagte Borja und schmatzte an seinem Stück Speck. »Sibirien läuft euch nicht weg. Und – gebt es zu, Freunde – in der Gruft der Shukendskijs läßt sich wohnen. Warten wir also ab. Die Zeit ist eine große Kupplerin, man muß sie nur gewähren lassen –«
    Am Freitag landete die deutsche Reisegesellschaft in Wolgograd. Sie stand wieder unter der Leitung des Reiseführers Heppenrath, der sich auf dieser Fahrt gar nicht wohl fühlte. In seiner Gruppe reiste ein Mann mit, der drei Pässe bei sich trug … einen auf den Namen Peter Kallberg, einen auf Fjodor Alexejewitsch Prikow und einen auf Afanasij Konstantinowitsch Agagurian. Er war ein stiller Mann, höflich und unauffällig, knipste wie alle Reisenden Denkmäler und Kirchen, beschwerte sich nie und beteiligte sich auch nicht an den Erinnerungen mancher Rußlandreisenden, die Kriegserlebnisse auffrischten und sie so fröhlich erzählten, als sei der Tod von fünfundzwanzig Millionen Menschen eine Art Volksfest gewesen. Da wimmelte es von Erinnerungen an Stabsgefreiten, die im strengen Winter im Freien pinkelten und nachher eine Stange Urin abbrechen mußten, von Unteroffizieren, die sich in der Dorfbanja von Madkas abschrubben und massieren ließen, und da tauchte der forsche Hauptmann wieder auf, der stolz mit seinem furzenden Pferd vor der Kompanie herritt und ›Es zittern die morschen Knochen‹ singen ließ.
    »Wo treffen wir uns?« fragte Peter Kallberg so

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