Liebe auf Dauer
werden sollen. Das bedingt entweder eine totale Überlastung, wenn sie auch noch berufstätig sind, oder ein Auseinanderdriften der Familienwelt der Frau und der Arbeitswelt des Mannes, wenn die Frau ganz zuhause bleibt.
Die Folge aus beidem ist, dass es vor allem in Familien mit noch nicht erwachsenen Kindern ständig schrecklich viel zu tun, zu organisieren, zu planen und abzuarbeiten gibt. Immer müssen irgendwelche Angelegenheiten erledigt, Ziele erreicht, Pflichten erfüllt werden. Das füllt die Zeit der Partner aus. Sich selber verlieren sie dabei mehr und mehr aus dem Blick. Sie funktionieren, wenn es gut geht, dann als kooperatives Arbeitsteam. Das ist schon eine sehr gute Leistung. Im noch besseren Fall kommen sie als Eltern ihrer Kinder gut miteinander klar, akzeptieren und schätzen sich gegeneitig als Vater und Mutter. Aber existieren sie noch als Paar?
Als Eltern paar – kann sein, dass sie sogar sehr gut funktionieren. Aber hier kommt gerade eine weitere Gefahr hinzu: Wenn sie Eltern geworden sind, kann es leicht geschehen, dass der Mann in der Frau mehr und mehr dieMutter, die Frau im Mann mehr und mehr den Vater sieht . Früher haben sie sich dann mit »Mama« und »Papa« anzureden begonnen. Dass die meisten das heute vermeiden, ist ein gutes Zeichen, verhindert aber nicht immer, dass in ihrer persönlichen Beziehung das Mama-Sein und Papa-Sein in den Vordergrund tritt. Zweifellos bedeutet auch das eine gewisse Intimität. Aber reicht diese Art von Intimität aus für das, was sich die beiden als Mann und Frau voneinander wünschen? Oft driften sie dabei unbemerkt als Paar immer weiter auseinander.
Zu all dem sorgt der Alltag für einen fortschreitenden Prozess der Gewöhnung . Das ist an sich nichts Negatives. Vielmehr ist Routine zweifellos gut und nötig, sie spart Zeit und Energie. Gewohnte Abläufe schaffen auch Sicherheit und Orientierung. Es geht gar nicht ohne diese. Allerdings ist darin eine große Gefahr enthalten. Der Partner gerät als Gegenüber aus dem Blick. Man gewöhnt sich an ihn wie an ein Möbelstück in der Wohnung. Das heißt: Man ist in gewissem Sinn mit ihm zwar sehr vertraut. Er gehört zum eigenen Leben »selbstverständlich« dazu. Aber er wird so selbstverständlich, dass man ihn nur noch wie ein zum Alltag gehörendes Möbelstück wahrnimmt, aber nicht mehr als eigenständige Person. In dem Sinn wird er als »anderer« eher immer unvertrauter. Man sieht in ihm nur noch, was man sehen will und was man aus der Erinnerung von ihm kennt. Was sich sonst noch in ihm tut, die Entwicklungen, die er vielleicht macht, die Interessen, die er neuerdings entwickelt hat, die Sorgen, die ihn umtreiben, bekommt man gar nicht mit. Der Partner wird immer mehr zum »intimate stranger«, zum »vertrauten Fremden«. Eine lebendige Beziehung bleibt dabei auf der Strecke.
Dieser – meist schleichende – Verlust der Mann-Frau-In- timität widerspricht aber wie gesagt diametral dem heutigen Anspruch der Partner. Denn das wollen und suchensie beide in der individualisierten Welt von heute, in der es an persönlichen Bezügen immer mehr Mangel gibt: Jemanden zu haben, mit dem sie wirklich intim, dem sie nahe sind und sein können.
Räume für Intimität schaffen
Um diesem zentralen Bedürfnis der Partnerschaft Rechnung zu tragen, sind wir immer mehr auf unsere eigene Initiative und Kreativität angewiesen. Wir müssen uns die Räume für die Pflege der Intimität selber schaffen. Die Gefahr ist sonst sehr groß, dass wir unter die Räder der Pflicht und der Gewohnheit geraten. Das war früher anders. Da gab es vorgegebene Freiräume: den Feierabend, die Sonntage und die religiösen Feiertage, an denen »knechtliche Arbeit« verboten war. Nicht dass diese Zeiten immer für die Intimität genutzt worden wären. Aber sie haben jedenfalls dafür gesorgt, dass die Menschen nicht ganz von Arbeit und Pflichterfüllung aufgefressen wurden. Im Zeitalter der flexiblen Arbeitszeiten, der verlängerten Öffnungszeiten, der Wochenendarbeit und der Abschaffung von Feiertagen im Interesse des Wirtschaftswachstums können wir spielend 24 Stunden am Tag »rödeln«, ohne dass uns jemand von außen eine Grenze setzt. So beginnen wir als Mann und Frau immer öfter und länger nebeneinanderher zu laufen, den Blick auf die nächste Pflicht und das nächste Ziel gerichtet, und immer seltener kommt es vor, dass wir uns gegenüberstehen und in die Augen schauen. Damit es diese Möglichkeit wieder gibt, müssen wir
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