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Liebe auf dem Pulverfaß

Liebe auf dem Pulverfaß

Titel: Liebe auf dem Pulverfaß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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…«
    Pünktlich fünf Minuten vor acht, wie jeden Morgen, hatte Amina das Büro der Fluglinie betreten, ihren Schreibtisch aufgeschlossen und die Post sortiert, die der arabische Bürolehrling vom Postamt aus dem Schließfach geholt hatte. Ghazi Muhamed stellte sich hinter Amina, blies ihr seinen Atem in den Nacken und sagte halblaut:
    »Die Zeit der Lügen ist vorbei.«
    »Das ist mir klar, Ghazi«, antwortete sie und sortierte weiter die Post.
    »Ein paar Freunde sind unterwegs, deine Dummheit zu bereinigen.«
    »Sie kommen zu spät.«
    »Wir sind noch nie zu spät gekommen.« Ghazi Muhamed lachte etwas unsicher. »Für Menschen, bei denen die Zeit keine Rolle spielt, gibt es solche Begriffe nicht.« Er faßte Amina an den Schultern, drehte sie zu sich herum und blickte ihr in die zornigen Augen. »Du wirst abgeholt. Du wirst noch heute Köln verlassen! Ich habe den Befehl, dich festzuhalten.«
    »Und wenn ich mich wehre?«
    »Welch eine dumme Frage.« Ghazi behielt seine Hände auf Aminas Schultern. »Ich stehe hier, und es ist leichter, den Jordan umzuleiten, als mich zu überrennen.« Er blickte über Aminas Kopf auf die Uhr in der Schalterhalle. »Nur noch wenige Augenblicke, und die Welt wird wieder aufschreien. Wer will uns daran hindern, Kehat Yonatan vor der Universität zu ergreifen? Wir haben ihn genau beobachtet. Um halb neun beginnt die Vorlesung über Orthopädie. Vielleicht ist er schon auf dem Weg in unser Quartier –«
    »Ich habe keine Angst um ihn«, sagte Amina ruhig.
    Ghazi sah sie mißtrauisch an. Ihre Sicherheit, ihre Gelassenheit bei dem Wissen, was mit Kehat jetzt geschehen würde, machte ihn plötzlich unsicher.
    »Um siebzehn Uhr landet dein Vater in Wahn!« hieb er auf sie ein. Aber auch diese Worte verfehlten jede Wirkung. Sie lächelte nur.
    »Er ist schon da.«
    »Unmöglich.« Ghazi Muhamed spürte, wie es heiß in ihm hochkroch. Was wird hier gespielt, dachte er. Warum belügt man mich? Wo ist Dr. Safar, der unbekannte, große Mann, den man nur von Bildern kennt, auf denen sein Gesicht hinter einer dunklen Brille und einem Mundtuch verborgen ist? Nicht einmal die Kranken, die er in Qnaitra behandelt, wissen, ob er es selber ist oder sein Assistent. Nur ein kleiner Stab Vertrauter kennt sein Gesicht, und diese wenigen schweigen wie die Wüste. »Damaskus informierte uns –«
    »Damaskus.« Amina legte die Post weg, ging um Ghazi herum und setzte sich – wie jeden Morgen – an ihren Schreibtisch. »Safar Murad hat die ganze Nacht vor meinem Haus gestanden, und auch er hat nicht verhindern können, daß Kehat Yonatan entkommen konnte.«
    »Du weißt, wo er sich versteckt!« schrie Ghazi. Sein Gesicht verzerrte sich und wurde erschreckend geierhaft.
    »Ich weiß gar nichts.«
    »Wir werden dich zwingen!«
    »Was bedeutet Zwang für Menschen, die außerhalb aller Gefühle leben? – Eure Worte, Ghazi! Und sie gelten nicht nur für euch!«
    Ghazi Muhamed wollte noch etwas sagen, verzichtete dann aber darauf, blieb in der Schalterhalle stehen, lehnte an dem Durchgang der Theke und wartete. Safar in Köln, dachte er. Und unter seinen Augen entwischt einer der wertvollsten Geiseln. Wie wird er das verantworten können? Was bringt er aus Damaskus für mich mit? Wir stehen bereit, wir warten, wir haben alle Möglichkeiten, durch Entsetzen die Welt auf uns aufmerksam zu machen. Was kümmert uns die Moral der anderen Menschen? Was sie Mord und Terror nennen, ist für uns ein heiliger Krieg um unsere Rechte. Die Welt wird umlernen müssen …
    Er beobachtete Amina. Sie bediente vier Kunden, sie war freundlich wie immer, man merkte ihr nicht an, daß ihr der Tod bereits im Nacken saß.
    Unruhig blickte Ghazi jedesmal zur Tür, wenn sie aufschwang. War dieser Mann, der jetzt eintrat, Safar Murad? Oder der, der da draußen stand und die Plakate eingehend betrachtete? Oder der, der so lange, völlig sinnlos an seinem Auto lehnte, dem Büro der El Araab Lines gegenüber?
    Auf dem Schreibtisch Aminas klingelte das Telefon. Sie nahm den Hörer ab, nickte und legte ihn wieder auf.
    »Geh in dein Büro, Ghazi –«, sagte sie völlig ruhig. »Mein Vater wartet auf dich …«
    Ghazi Muhamed hob erschrocken die Schultern. Der Kellereingang, durchfuhr es ihn. Dann durch das Lager ins Büro. Natürlich kennen sie den Weg.
    Er drehte sich um und eilte nach hinten in sein Zimmer.
    »Ihr Sohn ist verschwunden«, sagte eine Stunde später Oberst Halevi zu Professor Moshe Yonatan. Er war in Yonatans Stadthaus

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