Liebe auf dem Pulverfaß
des Physikers Professor Moshe Yonatan aus Tel Aviv ist, einer der Top-secret-Personen von Israel. Ja, wir haben diese Meldung mit der israelischen Botschaft abgesprochen. Sie darf groß gebracht werden. Vielleicht befindet er sich noch in Deutschland. Die zuständigen deutschen Ministerien sind auch schon verständigt. Helfen Sie mit allen Mitteln, unseren Freund Kehat Yonatan zu finden.«
»Ob das der richtige Weg ist?« fragte Ghazi Muhamed. Bei diesen Gesprächen durfte er wieder in sein Büro – er übernahm es sogar, die Rundfunkanstalten zu unterrichten und sprach dabei einen leicht jiddischen Dialekt.
»Ein Mann und ein Mädchen können nicht wochenlang durch die Welt irren … irgendwo tauchen sie auf, irgendwo sieht man sie.« Safar lehnte sich zurück. »Ich werde Fotos von Amina an die Presse geben. Existieren Bilder von Kehat?«
»Nur Schnappschüsse unserer Beobachter von Aminas Haus.«
»Sie genügen. Ebenfalls an die Presse. Die ganze Welt soll ihre Gesichter kennen.« Er zögerte und fügte dann leise hinzu: »Aminas Gesicht wird bestimmt keiner vergessen. Wer vergißt die goldene Schönheit eines Sonnenunterganges? Einen blauleuchtenden? Eine Rose im Morgentau? Nichts ist vergleichbar mit Amina!«
»Aber sie verrät uns an einen Judenjungen!« sagte Ghazi giftig.
»Wir werden sie finden, beide.« Safar zog mit Rotstift einen Strich über einen Zettel, auf dem er die Telefonnummer der Presseagenturen notiert hatte. Es war, als streiche er damit auch Aminas Leben aus der menschlichen Gesellschaft. »Wo sie auch sind … morgen früh werden sie von den Zeitungen gejagt. Die Dummheit der Menschen, sagt Allah, ist ihr eigener größter Feind. Wir werden siegen mit der Dummheit der Menschen.«
Safar behielt recht. Die Morgenzeitungen – nicht nur in Deutschland, sondern auch in Übersee – brachten zunächst die sensationelle Meldung, daß der Sohn des bekannten Physikers Moshe Yonatan, der Student Kehat, in Köln entführt worden sei. Wahrscheinlich ein neuer Terrorakt der arabischen Freischärler. Man erwarte in Kürze eine Nachricht der Fedajin.
Safar Murad hatte alle Zeitungen gesammelt und vor sich liegen. Ghazi telefonierte mit den Basisgruppen in Holland, Belgien, Frankreich, der Schweiz, in der DDR, Dänemark, Norwegen, Schweden, Großbritannien, Italien, Griechenland und Spanien. Über die Leitungen der El Araab Lines war das unverfänglich, und den syrischen Dialekt des Arabischen verstand sowieso niemand.
»Er ist eingekreist«, sagte er hinterher zufrieden. »Jetzt nur noch die Bilder im Fernsehen –«
»Sie werden nie gesendet werden.« Safar zeigte auf die Kaffeemaschine, Ghazis Lieblingsstück nach den Frauen. »Eine Tasse, bitte.«
Ghazi goß ein und schob sie Safar über den Tisch.
»Warum denn nicht?« fragte er dabei.
»Es liegt bereits ein Dementi des israelischen Botschafters vor. Auch die Regierung in Israel hat die Meldung sofort als falsch bezeichnet. Ein Freund, Bote in einer Redaktion, hat die letzten Fernschreiben herumgetragen. Man behauptet, Kehat ist zu einem plötzlichen Besuch bei seinem Vater in Tel Aviv eingetroffen.«
Ghazi starrte Safar betroffen an. »Und wenn das stimmt …«
»Unmöglich! Nicht mit Amina.«
»Sie hat kein arabisches Hirn und kein arabisches Herz mehr!« sagte Ghazi bitter. »Sie ist tot! Warum soll man ein Stück totes Fleisch nicht nach Israel transportieren?«
»Ich glaube es nicht.« Safar rettete sich vor seinen Gefühlen, indem er den heißen, starken Kaffee besonders lange schlürfte. »Aber die Verwirrung, die jetzt entstanden ist, wollte ich«, sagte er, als er die Tasse wieder auf den Tisch gestellt hatte. »Kehat Yonatan bleibt im Gespräch. Er ist keine schnell verwehende Tagessensation. Verwirren wir die Welt mehr … geben wir bekannt, daß Kehat von uns festgehalten wird. Irgendwo wird dann eine Unvorsichtigkeit geschehen. Nichts ist vollkommen … auch kein Verschwinden.«
»Ich verstehe den Aufwand nicht.« Ghazi Muhamed blickte durch den Glasausschnitt hinaus in die Schalterhalle. Der Ticketverkauf, die Beratungen, die Buchungen für Flüge in die arabischen Länder lief so reibungslos ab wie jeden Tag. Keiner der Reisenden dort draußen vor der Theke ahnte, daß nur wenige Meter von ihnen entfernt, hinter einer dünnen Wand, an der bunte Plakate mit Palmen und blauen Meeresstränden für einen ›Blick in das Märchenland‹ warben, die Schaltzentrale für die Aufregung lag, die an diesem Morgen die ganze Welt
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