Liebe auf dem Pulverfaß
Deutschland. Er hat hier studiert …« Aber während sie es aussprach, merkte sie, daß sie schlecht log. »Ich muß aufdrücken«, sagte sie. »Jede Sekunde Warten macht ihn mißtrauisch. Und du kannst nicht mehr weg –«
Kehat lächelte verzerrt. »Ich werde den alten Witz vom Liebhaber im Kleiderschrank spielen.« Er blickte sich um – es war wirklich in diesem Einzimmer-Appartement die einzige Möglichkeit, sich zu verstecken. Er warf seine Jacke über, schob Aminas Kleider zusammen und stellte sich in den engen Schrank. Es war einer dieser modernen Schränke, er mußte sich ganz an die Rückwand pressen und die Arme anlegen, damit Amina die Tür wieder schließen konnte. Dann hörte er sie herumlaufen, Licht flammte auf, durch die Ritzen der nicht genau schließenden Schranktür drang in dünnen Streifen die Helligkeit. Er atmete ein paarmal tief ein, roch den zarten Duft aus Aminas Kleidern, der ihn an ihren Körper erinnerte, und plötzlich war er ganz ruhig und von einem verzweifelten Mut. Ich liebe sie, dachte er. Und wenn die ganze Welt brennt – ich trage sie auf meinen Armen heil durch die Flammen.
Die Wohnungstür klappte. Eine tiefe Stimme, arabische Laute, dann – deutlicher – deutsche Worte. Aminas Stimme ganz nahe am Schrank, es schien fast, als lehne sie an der Tür.
»Dich hat Ghazi gerufen, nicht wahr?« sagte sie.
»Wie kann ein Floh einen Löwen rufen?« Safar Murad setzte sich auf die Couch. Er hatte seine Tochter umarmt, voll väterlichen Glücks hatte er sie an sich gezogen, aber dann roch er, als er sie küßte, den Alkohol auf ihren Lippen. Er ließ sie los, sah sich schnell um, und während sie weiter ins Zimmer ging, bemerkte er unter der Couch die beiden Gläser. Ganz kurz streifte sein Blick die Schranktür. Es wäre eine schnelle Lösung aller Probleme, dachte er. Eine Blitzaktion. Aber ebenso sicher wußte er, daß Amina in diesem Augenblick nicht mehr seine Tochter sein würde, sondern ein in die Enge getriebenes wildes Tier, das nur an Vernichtung dachte.
Wäre sie sonst meine Tochter? dachte er und setzte sich. Er hockte genau über den Gläsern, den Kleiderschrank in gerader Blickrichtung. Irgendwie überkam ihn eine Traurigkeit, die ihn müde machte. Sein väterliches Herz weinte nach innen. Welch ein Engel ist sie geworden, dachte er. Schöner als ihre Mutter Issa in ihrer Blüte, schöner als alles, was zwischen Damaskus und Qnaitra lebt. Wie stolz darf ein Vater sein, solch eine Tochter zu haben! Aber wie unbeschreiblich ist der Schmerz, durch den ich jetzt hindurch muß.
»Ich habe Geschäfte in Deutschland«, sagte er. Da Amina deutsch sprach, tat er es auch. Natürlich, der Mann im Schrank versteht kein arabisch, dachte er. Sieh mich an, Töchterchen. Ich mache dein Spiel mit. Es wird ein Spiel der Grausamkeit werden … wir leben in einer Zeit, in der jeder jeden vernichtet … der Bruder die Schwester, der Vater seinen Vater und der Vater seine Kinder. Amina, meine Rose, welch eine Zeit! Warum hat Allah uns in dieses Jahrhundert gesetzt?
»Ich weiß«, sagte Amina hart. »Du bringst Waffen. Handgranaten, zusammengelegte Maschinengewehre, Sprengstoff. Diplomatengepäck wird nicht kontrolliert. Du bist noch Angehöriger der Regierung … dem Paß nach?«
»Ich habe nur eine Tasche bei mir. Diese hier.« Safar hob seine Reisetasche hoch. Seine Stimme klang müde. »Ich wollte nur zu dir, Amina. Deine Mutter läßt dich grüßen.«
»Danke, Vater.«
»Dein Bruder Abdallah ist ein wichtiger Mann geworden.«
»Wieviel Menschen hat er schon getötet?«
Safar starrte auf den Boden. Vor drei Tagen explodierte eine Bombe von ihm in einem Kibbuz jenseits der Golanhöhen, dachte er. Die Juden geben die Toten nicht bekannt, aber wenn Abdallah eine Bombe legt, liegt sie immer richtig.
»Du liebst diesen Kehat Yonatan?« sagte Safar plötzlich. Es war wie ein Stoß. Die Minuten vager Zärtlichkeit zwischen Vater und Tochter waren vorbei. Was jetzt folgte, war die Unerbittlichkeit der Wahrheit. Die Pflicht. Das Höchste, dem sich alles unterzuordnen hat: Der Kampf um die Heimat. Palästina. Die Vernichtung Israels. »Bis das Meer sich rot färbt vom Blut der Juden … so lange muß jeder Araber leben, denken und handeln!« hatte er einmal in einem Flugblatt geschrieben. »Der Haß ist unser Morgengebet, unser Mittagessen, unser Abendtrunk. Selbst im Schlaf sollt ihr nur von einem träumen: Erobert Palästina zurück!«
»Ja. Ich liebe ihn!« sagte Amina laut. Safar,
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