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Liebe auf dem Pulverfaß

Liebe auf dem Pulverfaß

Titel: Liebe auf dem Pulverfaß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zog sie hinaus. Sie lehnte sich gegen ihn, schwankte mit geschlossenen Augen durch die leere Schalterhalle und ließ sich auf die Holzbank an der Wand fallen. Kehat ging zum Schalter, wo der Beamte gerade die Gebühr ausrechnete.
    »Ein teurer Spaß«, sagte er. Er blickte hinüber auf Aminas zusammengesunkene Gestalt. »Ein Todesfall?«
    »Vielleicht.«
    »Ach so … Kurz davor?«
    »Man kann es so nennen. Wieviel?«
    Der Beamte nannte eine wirklich irrsinnige Zahl, aber zwischen Rom und Qnaitra zu telefonieren, ist ebenso verrückt. Kehat zahlte aus dem Bündel Geldscheine die Gebühr … es blieb nicht mehr viel zurück. Drei Tage mageren Lebens steckte er zurück in seine Tasche. Was kam dann?
    Er ging zurück zu Amina, zog sie von der Bank hoch, küßte ihr tränennasses Gesicht und faßte sie unter. Wie eine Betrunkene führte er sie hinaus auf die Straße. Dort war es dunkel, eine feuchtheiße Nacht, die den Schweiß aus den Poren trieb. Er schleifte Amina in eine breite Türnische und stellte sie dort an die Wand.
    »Was … was ist passiert …?« fragte er mühsam.
    »Er ist in Kairo«, sagte sie und weinte weiter.
    »Dann ist mein Vater auch in Kairo?«
    »Ich weiß es nicht. Aber ich glaube es.«
    »Wir werden nie nach Kairo kommen. Wir haben nur noch ein paar lumpige tausend Lire und das, was wir auf dem Leib tragen. Es war ein teures Gespräch.«
    »Ich habe meine Mutter gehört, Kehat. Meine Mutter –«
    Er holte die Geldscheine aus der Tasche und hielt sie hoch. »Es reicht nicht mehr, auch meine Mutter zu hören«, sagte er bitter. »Aber wir werden nach Kairo kommen … Ich werde betteln gehen, ich werde Kisten schleppen, Teppiche klopfen, Mülltonnen leeren, ich werde alles nehmen, was Geld bringt, bis ich das Geld für Kairo zusammen habe …«
    »Die Zeit läuft uns davon, Kehat. Es muß schneller gehen. In drei, vier Tagen müssen wir in Kairo sein.« Sie warf die Arme um seinen Hals und verbarg ihr Gesicht an seiner Brust.
    »Dann breche ich ein!« sagte Kehat leise. »Mein Gott, sieh weg … dann morde ich für Geld!«
    »Es geht einfacher, Kehat …« Amina drückte sich fester an ihn. »Ich werde das Geld verdienen … in zwei Tagen und zwei Nächten … Nur zwei Tage und zwei Nächte, Kehat –«
    Er begriff erst nicht, was sie meinte, aber als er sie verstand, preßte er sie an sich und krallte seine Finger in ihre langen schwarzen Haare.
    »Du bist verrückt, Amina«, stammelte er. »Nie! Nie!«
    »Es sind nur zwei Tage –«
    »Nie!« schrie Kehat.
    Sie warf den Kopf zurück. Ihre Augen waren unnatürlich weit, ihr Mund schien aufgebrochen zu sein und beherrschte das ganze Gesicht.
    »Nur zwei Tage, Kehat!« schrie sie zurück. »Zwei Tage eine Hure … und wir haben das Geld. Du kannst deinen Vater sehen, ich kann meinen Vater sehen … für zwei kurze Tage Hure! Wir werden alles abwaschen, Kehat. Ich werde mich ins Meer setzen und von den Wellen durchpeitschen lassen. Ich werde diese zwei Tage aus mir wegspülen, sie werden nie mehr da sein, zwei vergessene, nie gelebte, weggeworfene Tage … aber wir haben das Geld, Kehat! Das Geld!«
    »Nie!« keuchte er. »Nie! Ich erwürge dich, Amina! Ich werfe dich mit dem Kopf an die Wand, ich … ich …«
    Er wußte nicht mehr, was er sagte. Er schrie nur noch, preßte sie an sich, riß sie an den Haaren und dann küßten sie sich wieder, verzweifelt, mit einer Wildheit, in der ihre ganze Hoffnungslosigkeit lag … sie stürzten sich in diese Liebkosung, weil sie das einzige war, was ihnen geblieben war.
    »Wir müssen in zwei Tagen in Kairo sein, sonst ist alles zu spät«, sagte Amina nachher, als sie sich etwas beruhigt hatten. Sie saßen auf einer niedrigen, alten Mauer und waren wie leergebrannt. »Kehat … zwei Tage –«
    Er nickte. Zwei Tage, zwei Jahre, zwei Jahrhunderte … es blieb sich gleich. Der Wettlauf war verloren, noch bevor er richtig begonnen hatte.
    Wie sagen die Araber?
    Wenn ein Lahmer läuft, ist der Tag von Allahs Gericht gekommen.
    Eine Stunde später, in einem Gewirr finsterer Gassen, bellten plötzlich Schüsse auf. Kehat und Amina, die ziellos herumliefen, irgendwohin, wo sie der Zufall hintrieb, wo sie vielleicht eine Stelle fanden, auf der sie übernachten konnten, zusammengerollt auf einem Grasfleck, in den Trümmern des Forum Romanum, an der Via Appia Antiqua, man kann im Sommer überall in Rom schlafen, denn die mit Glut aufgeladenen Steine strömen die Hitze wieder aus, auf dieser Wanderung ins Nichts, die

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