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Liebe auf dem Pulverfaß

Liebe auf dem Pulverfaß

Titel: Liebe auf dem Pulverfaß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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geschenkt, als er nach Deutschland ging. Es war das letzte Stück seines Großvaters, der in Dachau verschwunden war. Man hatte ihn eines frühen Morgens abgeholt, und er kam nie wieder. Den Ring aber hatte er vorher – voller Ahnungen – einem Nachbarn gegeben, und der schickte ihn nach dem Krieg an Rebba Yonatan, geborene Silberstern.
    Als der Ring unter dem Ladentisch des Aufkäufers verschwand, tastete Kehat nach Aminas Hand und umklammerte sie. Es war die einzige Möglichkeit, um nicht zu weinen.
    »Heben Sie ihn auf, bitte –«, sagte Amina. Kehat bekam kein Wort mehr über die Lippen. »Wir holen ihn ab … bald … Ich verspreche es Ihnen. Können Sie den Ring einen Monat aufheben …?«
    Der Händler versprach es, zahlte die Lire aus und war sichtlich froh, diese Verrückten aus seinem Laden gehen zu sehen.
    Nun saßen Amina und Kehat auf den Stufen der Spanischen Treppe, starrten in das Menschengewimmel unter sich und waren doch so einsam wie auf einer neu entdeckten Insel. Der Gedanke, als Karl Johnen nach Damaskus zu fliegen – das zusammengesammelte Geld reichte gerade aus, dann mußte man sich durch das Land schlagen wie Bettler – wurde immer trüber. Nichts, aber auch gar nichts wußte man über das Schicksal von Moshe Yonatan. Die Angaben der arabischen Freischärler waren dünn. Sie gestanden nur die Entführung, weiter nichts. Keine Forderungen, kein Hinweis wie »Man hat ihn an einen sicheren Platz gebracht«, keine Drohung, Yonatan zu töten. Man flog nach Damaskus, nur um etwas zu tun. Es war alles völlig sinnlos … Kehat sah es ein, legte den Kopf an Aminas Schulter und schloß die Augen. Sie legte den Arm um ihn, und so saßen sie über eine Stunde auf der Spanischen Treppe, das Leben flutete an ihnen vorbei, beachtete sie nicht, wie sie es auch nicht wahrnahmen, und so verstrich die Zeit, die Maschine nach Damaskus flog ab und hatte neben zwei israelischen Geheimagenten auch drei arabische Guerillas an Bord.
    Sie waren arbeitslos, benahmen sich wie höfliche Reisende und grübelten darüber nach, wo der Fehler in einer sonst präzisen Denkarbeit liegen konnte.
    Es wurde Abend, als Kehat und Amina wie aus einer Erstarrung erwachten. Neben und über ihnen hatten sich Gruppen von Jungen und Mädchen auf den Stufen niedergelassen, spielten Gitarre, rauchten süße Zigaretten – Hasch, stellte Kehat angewidert fest – küßten sich ungeniert und lachten die Erwachsenen aus, die sie empört anstarrten.
    Das andere Rom erwachte … mit der Sonne ging auch der Zauber einer Stadt unter.
    »Ich werde zu Hause anrufen«, sagte Amina plötzlich. »Das ist der geradeste Weg.«
    »Und der gefährlichste. Sie werden sofort unsere Spur aufnehmen.« Kehat stand auf. Er zog Amina mit sich hoch und strich ihr mit beiden Händen die langen schwarzen Haare aus dem Gesicht. »Bitte, komm mit nach Israel, Amina.«
    »Nein!«
    »Ist es so schrecklich, bei uns zu leben?«
    »Ich liebe dich, nicht dein Volk.« Sie stieg die Treppe hinab, blieb unten stehen und wartete auf Kehat, der langsam nachkam. Stufe um Stufe stieg er hinab, und es war, als entferne er sich damit immer mehr von einer Hoffnung, die ihn bis hierher getrieben hatte, um jetzt an der großen Spanischen Treppe zu enden. Unsagbares Mitleid überkam Amina. Sie empfing Kehat unten auf der Straße mit offenen Armen, zog ihn an sich und küßte ihn vor allen Menschen.
    »Wir sind traurig –«, sagte sie laut, als sie die Blicke der Passanten sah. »Wir würden gerne weinen, aber wir können es nicht mehr. Darum küssen wir uns. Versteht ihr das?«
    Die Menschen sahen sie verblüfft an und gingen dann schnell weiter.
    »In der Hauptpost kann man Tag und Nacht telefonieren«, sagte Amina. »Sollen wir wie blinde Hunde durch die Welt irren?«
    »Sie werden uns hetzen … hetzen … hetzen …«
    »Aber wir kennen endlich die Richtung –«
    »Mein Gott, was haben wir vor.« Kehat ballte die Fäuste vor der Brust. »Zwei Menschen allein gegen eine ganze Welt voll Haß.«
    »Aber diese zwei Menschen lieben sich«, sagte Amina. »Kein Himmel ist mehr dunkel, wenn es zwei Sternen gelingt, an ihm zu leuchten …«
    Die Post war noch offen. Der Mann hinter dem Schalter las mit gerunzelter Stirn die Telefonnummer und blickte dann Amina fast mitleidig an. »Haben Sie Zeit?« fragte er. »Viel Zeit?«
    »Ja.«
    »Es dauert Stunden. Sie sollten ein Bett aufschlagen, aber das ist in einer Posthalle verboten.« Der Beamte lachte, es war ein netter Mann, denn

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